WM 2006 Von Beckhams Übelkeits-Anfall bis Lehmanns Spickzettel
Es waren vor allem die Engländer, die bei der Trophäenjagd für Gesprächsstoff sorgten. Beckham machte das Fußball-Feld in Stuttgart mit seinem Übelkeits-Anfall fast zu einem Wallfahrtsort, den Journalisten einen Tag nach dem 1:0 im Achtelfinale gegen Ecuador nach der genauen Stelle der Brech-Attacke absuchten. Pech war nur, dass es über Nacht geregnet hatte - die Beweise waren vernichtet.
Nicht kurios war, dass England wieder mal im Elfmeterschießen ausschied - höchstens, dass sie vor dem 1:3 im Viertelfinale gegen Portugal wirklich an ein Happy-End geglaubt hatten. Bemerkenswert war dafür der Auftritt von Wayne Rooney. Erst feierte "Lazarus" die Wunderheilung nach seinem Fußbruch und das Comeback nach nur 47 Tagen, dann sah er die Rote Karte gegen Portugal. Bye-Bye Babyface.
Nach Hause wären übrigens gerne zwei englische Fans gefahren - nur fanden sie ihr Auto nicht. Dabei hatten sie sich extra den Namen der Straße auf einem Zettel notiert. Einbahnstraße stand dort. Doch davon gibt es in Köln ziemlich viele.
Bei der deutschen Mannschaft sorgte Lehmann im Viertelfinal-Krimi gegen Argentinien für Aufsehen. Erst zog er seinen Spickzettel aus dem Stutzen wie Zauberer ein Kaninchen aus ihrem Hut, dann hielt er den den entscheidenden Elfmeter von Esteban Cambiasso und schloss die Meisterprüfung mit einer 1+ ab. Was Lehmanns früherer Klassenlehrer darüber dachte, ist nicht überliefert.
Beliebtheit erfreute sich unterdessen weiter Oliver Kahn. Für ein Autogramm des Ersatzkeepers fuhr ein Fan 500 Kilometer - mit dem Rad. Respekt.
Ja, ja, die Fans. Sie feierten bislang in der Regel ohnehin ein friedliches Fest zu Gast bei Freunden. Nur ein kroatischer Anhänger ging mit der Liebe zu seinen Stars zu weit und stürmte beim 0:1 gegen Brasilien auf den Platz. Was mehrere hundert Sicherheitskräfte im Berliner Olympiastadion nicht schafften, machte Stürmer Dado Prso auf die einfühlsame Art. Er nahm den Fan liebevoll in den Arm und führte ihn sanft vom Feld. Als Belohnung sank der Anhänger auf die Knie und küsste Prso die Schuhe.
So viel Zuneigung wurde den Schiedsrichtern nicht entgegen gebracht. Dabei hätte Josip Simunic durchaus Grund dazu gehabt. Graham Poll ließ den Verteidiger von Hertha BSC Berlin nach zwei Gelben Karten weiter spielen, erst nach der dritten Verwarnung in der Nachspielzeit beim 2:2 gegen Australien zeigte der Engländer ihm die Ampelkarte.
Dabei wurde Kartenspieler Poll noch von seinem Kollegen Walentin Iwanow übertroffen. Der Russe sorgte beim 1:0 von Portugal im Achtelfinale gegen die Niederlande mit viermal Gelb-Rot für einen WM-Rekord. Zum Ende der Partie saßen die Niederländer Giovanni van Bronckhorst und Khalid Boulahrouz sowie der Portugiese Deco in trauter Eintracht zusammen auf der Tribüne, und der Zuschauer fragte sich: Sehen so Rüpel aus?
Es war nicht nur der dritte Platzverweis der Partie, sondern auch Polls letzte Amtshandlung als FIFA-Referee.
Es gab sowieso Fairplay bei dieser WM. Naja, zumindest einmal, und diese auflodernde Flamme wurde gleich im Keim erstickt. Gyan Asamoah aus Ghana wurde mit Gelb-Rot vom Platz gestellt, weil er einen Elfmeter zu früh ausgeführt hatte. Da half jegliche Bitte des tschechischen Nationaltorhüters Petr Cech beim Unparteiischen Horacio Eilzondo nichts.
Der Weltverband hat ja ohnehin so seine Ansichten: Als die ganze Welt das Eigentor des Mexikaners Jared Borgetti sah, schrieb die FIFA den Treffer dem Argentinier Hernan Crespo zu.
Apropos Anerkennung - das sei zum Schluss noch gesagt - gebührt den Spielern von Togo. Die spielten - ob mit oder ohne Trainer Otto Pfister - schlichtweg für die Landesehre. Das erklärte zumindest Emmanuel Adebayor. Doch der Wort- und Streikführer, der - das sei nebenbei erwähnt - Millionen beim FC Arsenal verdient, hat ein wenig geflunkert.
Am Ende verhinderte nur die Fifa mit einem Koffer voller Bares einen Boykott. Dafür mussten die Spieler statt ihrer eigenen Hymne zweimal die von Südkorea über sich ergehen lassen. Ein bisschen Strafe muss sein.