DFB-Team vor den Testspielen Die wichtigsten Aufgaben für Hansi Flick

Düsseldorf · Mit den Testspielen gegen Israel und die Niederlande startet die DFB-Elf ins WM-Jahr. Der Bundestrainer muss einige Stammspieler ersetzen und das eine oder andere Problem angehen. Wo die Chancen liegen und worum es geht.

Bundestrainer Hansi Flick (l.) im Gespräch mit Timo Werner.

Bundestrainer Hansi Flick (l.) im Gespräch mit Timo Werner.

Foto: dpa/Arne Dedert

 Acht Monate sind es noch bis zur ersten Advents-Fußball-Weltmeisterschaft. Langsam muss sich Hansi Flicks Nationalmannschaft auf den Ernstfall Katar einstellen. Erste Aufschlüsse werden die beiden Testspiele gegen Israel (Samstag in Sinsheim) und in Amsterdam gegen die Niederlande (Dienstag) geben – über Form und Besetzung, über Spielweise und Probleme. Diese Themen muss der Bundestrainer angehen:

Testen ohne Punktspiel-Druck Vor den Gruppenspielen der unsäglichen Nations League im Juni und September geht es zum Auftakt des Länderspieljahres nicht um Punkte. Deswegen darf ein bisschen experimentiert werden. Allerdings nicht in dem Umfang, den sich Flick selbst gewünscht hätte, denn es gibt mal wieder zahlreiche Ausfälle. Sein Ziel hat der Bundestrainer dem Fachblatt „Kicker“ verraten: „Eine Mischung aus Ausprobieren und Einspielen.“

Weigl für Kimmich? Personelle Experimente stehen unter anderem in der Leitstelle bevor. Flicks erste Besetzung fürs zentrale Mittelfeld fällt wohl aus. Leon Goretzka ist noch nicht fit, Joshua Kimmich sieht dritten Vaterfreuden entgegen, und er steht deshalb zunächst mal seiner Freundin bei.

Gut möglich, dass Julian Weigl fünf Jahre nach seinem bislang letzten Länderspiel eine Chance bekommt. Er könnte durch sein unauffälliges Spiel für jene defensive Ruhe sorgen, die Kimmich immer nur am Rande interessiert. Der Bayern-Spieler will am liebsten an jeder offensiven Aktion teilnehmen. Und wenn er könnte, würde er sich Freistöße und Eckbälle selbst zuspielen. Über Weigl (Benfica Lissabon) sagt Flick: „Wir wissen, was er kann, aber wir wollen ihn auch mal live sehen.“

Die Neulinge Nico Schlotterbeck (Freiburg) hat noch kein A-Länderspiel. Das wird sich ändern, denn der Bundestrainer gibt ihm eine Einsatzgarantie. Er wird all jenen Verteidigern Konkurrenz machen, die auf einen Platz neben dem gesetzten Antonio Rüdiger (FC Chelsea) hoffen. Die größte Überraschung im Aufgebot ist der Mainzer Anton Stach. Er hatte sich selbst nicht auf der Rechnung. Seine Reaktion auf Flicks Anruf: „Mir ist alles aus dem Gesicht gefallen.“

Joshua Kimmich bei der EM 2021 - Der Jungstar des FC Bayern München im Porträt
20 Bilder

Das ist Joshua Kimmich

20 Bilder
Foto: dpa, kno

Der dritte Mann Deutschland hat einen der besten Torhüter der Welt, Manuel Neuer (FC Bayern). Deutschland hat den besten zweiten Mann der Welt, Marc-André ter Stegen (FC Barcelona). Die Rolle des dritten Mannes, der in Katar immer brav trainieren, aber nie spielen wird, nimmt Kevin Trapp ein. Der Frankfurter hat das Fernduell mit Bernd Leno gewonnen, weil der Mitbewerber bei Arsenal selten spielt.

Wohin mit Gündogan? Ilkay Gündogan (Manchester City) gehört zu den besten Mittelfeldspielern in Europa, und er hat großen Einfluss in der deutschen Mannschaft. Dennoch hat er keinen Stammplatz. Diesmal könnte er vielleicht Kimmichs offensivere Rolle im zentralen Mittelfeld übernehmen – allerdings nur als Platzhalter.

Ohne Dortmund fahr’n wir zur WM? Das ist sehr unwahrscheinlich. Aber die beiden Testspiele gehen definitiv ohne einen Spieler des Bundesliga-Zweiten über die Bühne. Marco Reus wäre bestimmt dabei, er ist nach Krankheit allerdings noch nicht wieder hergestellt. Mats Hummels hat sich zwar von einer Corona-Infektion erholt, er steht aber auf Flicks Verteidiger-Liste längst nicht mehr ganz oben. Julian Brandt, Mo Dahoud und Emre Can sind nicht konstant in ihren Vorstellungen. Sie müssen sich über Leistungen im Klub empfehlen.

DFB-Debütanten unter Bundestrainer Hansi Flick: Wirtz, Nmecha & Co
18 Bilder

Alle Debütanten unter Bundestrainer Hansi Flick

18 Bilder
Foto: dpa/Tom Weller

Auf Bewährung Empfehlungsschreiben hat Julian Draxler bei Paris Saint-Germain nicht sammeln können. Er sitzt dafür zu häufig auf der Bank, nur in gut einem Viertel aller Spiele stand er in der Startelf. Bei Flick spielt er sozusagen auf Bewährung. Eines der zahlreichen „größten Talente, die Deutschlands Fußball je hatte“, muss bald etwas anbieten. Sonst hat Draxler keine Chance auf die WM – zum Leidwesen seiner Klubbosse von der Firma „Qatar Sports Investments“.

Falsche Neun oder echter Mittelstürmer? Das ewige Rätsel seit Miroslav Kloses Rücktritt: Wer darf in der Angriffsmitte ran, ein zartgliedriger Feingeist wie Kai Havertz, ein Sprinter wie Timo Werner oder ein Typ aus der Schublade „Brocken“ wie Lukas Nmecha? Die beste Form hat Havertz vom FC Chelsea. Sein Vereinskollege Werner, der bei Flick sehr zuverlässig ins Tor traf, hängt mal wieder ziemlich durch, und Nmecha vom VfL Wolfsburg gilt als Lehrling. Eine perfekte Besetzung hat der Bundes-Hansi noch nicht.

Fitness Dafür weiß Flick genau, was im Turnier von Katar von entscheidender Bedeutung sein wird: die Fitness. „Wir brauchen Spieler, die alle drei, vier Tage Höchstleistung bringen“, betont der Coach. Dafür müsse jeder „an sich arbeiten, nicht nur im technisch-taktischen Bereich, sondern auch an der Physis“. Eine kleine Ansage an die Spieler, die zu häufig zwischen Fußballplatz und Wartezimmer beim Vereinsarzt pendeln.

Nationalmannschaft: Die Bilanzen der Bundestrainer beim DFB
14 Bilder

Die Bilanzen der Bundestrainer beim DFB

14 Bilder
Foto: dpa, nic

Aufbruchstimmung Flicks wichtigste Botschaft zum Amtsantritt gilt noch: „Wir wollen wieder begeisternden Fußball spielen.“ Es geht natürlich auch darum, das Publikum zurückzugewinnen, das dem uninspirierten Treiben der späten Joachim-Löw-Jahre mit zunehmendem Desinteresse und verständlichem Unmut beiwohnte. Gegen die zweit- und drittklassigen Gegner hat das zuletzt ganz manierlich geklappt. Jetzt kommt zumindest beim Auswärtsspiel in Amsterdam ein Team mit einer anderen Kragenweite. Gerade in dieser Begegnung kann Flicks Mannschaft weiter an der Aufbruchstimmung arbeiten, die der Chef ausgemacht haben will. „Die Fans“, sagt der Trainer, „honorieren, was auf dem Platz passiert.“ Sie werden wieder genau hinschauen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort