Nationalmannschaft Warum nicht mal Tony Jantschke?

Düsseldorf · Als Jerome Boateng seine Teilnahme am Länderspiel in Spanien abgesagt hatte, dürfte Tony Jantschke kurz aufgehorcht haben. Allerdings tatsächlich nur kurz. Denn praktisch zeitgleich präsentierte Bundestrainer Joachim Löw in dem Wolfsburger Robin Knoche einen Ersatz. Wieder nichts mit einer Berufung für die Nationalmannschaft.

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Außenverteidiger für Joachim Löw

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Foto: dpa/Jonathan Moscrop

Klar: Wer Jantschke kennt, wird wissen, dass sich der Abwehrspieler von Borussia Mönchengladbach nicht lange damit aufhalten wird. Trotzdem drängt sich inzwischen vehement die Frage auf: Warum nominiert Löw den Gladbacher eigentlich nicht? Denn selbst wenn die halbe Hintermannschaft des Weltmeisters fehlt, zaubert Löw eine andere Überraschung aus dem Hut.

Eigentlich wurde Jantschke sogar schon im Vorfeld der beiden Länderspiele gegen Gibraltar und in Spanien als heißer Kandidat gehandelt. Immerhin wollte Löw einigen Leistungsträgern eine Pause gönnen und dafür anderen, vielversprechenden Perspektivspielern eine Chance geben. Ein bisschen experimentieren, ausprobieren, neue Lösungen finden und neue Reize setzen. Den Weltmeistern Beine machen und den Konkurrenzkampf schüren.

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DFB: Die Außenverteidiger der Ära Löw

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Foto: dpa, nic cul soe jai

Auf der seit dem Rücktritt von Philipp Lahm problematischen Position auf der rechten Außenbahn hatten sich in der jüngeren Vergangenheit bereits Shkodran Mustafi, ein gelernter Innenverteidiger, Sebastian Rudy, ein gelernter Sechser, und Stuttgarts Antonio Rüdiger versucht. Allesamt mit überschaubarem Erfolg. Letztendlich überraschte Löw vor den beiden letzten Länderspielen des Jahres mit der Nominierung des Kölner Linksverteidigers Jonas Hector.

Beim Casting vor der WM im Mai gegen Polen hatte Löw insgesamt zwölf Spielern zum Debüt im Nationaltrikot verholfen, darunter auch Jantschkes Teamkollegen Christoph Kramer. Jantschke war schon damals nicht dabei, sehr zum Unmut von Manager Max Eberl. Doch offenbar machen sich andere Leute mehr Gedanken darüber als der Verteidiger selbst.

"Ich mache mir darüber absolut keinen Kopf. Ich bin bei diesem Thema wirklich total entspannt. Ich würde auch nie auf die Idee kommen, irgendetwas zu fordern, das entspräche auch nicht meinem Naturell", hatte Jantschke jüngst im "kicker" erklärt.

Das ist Tony Jantschke  von Borussia Mönchengladbach
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Das ist Tony Jantschke

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Foto: Dirk Paeffgen/Dirk Paeffgen (dirk)

Doch bei aller Bescheidenheit: Der 24-Jährige ist seit Jahren eine Konstante bei der Borussia. Einer der Schlüsselspieler, fester Bestandteil der Stamm-Achse und wichtiges Puzzleteil im System von Trainer Lucien Favre. Die intensive Rotation des Schweizers ging bislang am Abwehrmann vorbei, gefehlt hatte er nur gegen die Bayern, und das wegen eines grippalen Infekts. Und deshalb ist Jantschke letztendlich auch mit ein Garant für den sportlichen Höhenflug der Borussia, die erst am vergangenen Spieltag bei Borussia Dortmund (0:1) die erste Niederlage der Saison kassierte.

"Tony ist ein sehr guter Verteidiger, egal wo er spielt. Er kann Innenverteidiger, rechts oder auch zentrales Mittelfeld spielen. Tony ist ein polyvalenter Spieler und sehr flexibel. Das ist sehr gut", sagte Favre. Vielleicht sogar zu flexibel?

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Das Zeugnis der Borussen

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In der Tat verkörpert kaum jemand den Begriff des polyvalenten Spielers so sehr wie Jantschke, der beim DFB eigentlich kein Unbekannter ist: Er durchlief nahezu alle Jugend-Nationalteams und war zudem Kapitän in der U21-Nationalmannschaft. Dort spielte er auch auf der linken Abwehrseite.

2006, im Alter von 16 Jahren, war er von Dresden aus ins Gladbacher Internat gezogen. Zum Profidebüt verhalf ihm 2008 Hans Meyer, zum Durchbruch schließlich Favre. Erst auf der Außenbahn, schließlich in der Innenverteidigung, wo er ursprünglich nur als Notnagel gedacht war. Nach nunmehr 125 Bundesligaspielen (vier Tore) ist er aus dem Abwehrzentrum nicht mehr wegzudenken.

In zehn Saisonspielen brachte er 85 Prozent seiner 552 Pässe zum eigenen Mann. 63 Prozent der Zweikämpfe (161) hat er gewonnen, trotz seiner Größe von "nur" 1,77 Meter waren es in der Luft (51) immerhin 72,5 Prozent, am Boden (110) 58,2 Prozent.

Seine Leistungen auf dem Platz: Immer zuverlässig und stark in der Verteidigung. Allerdings auch unspektakulär, ohne im Spiel nach vorne groß zu glänzen. Unter dem Strich ein sehr solider und stets verlässlicher Arbeiter, dafür aber kein filigraner und offensiv ausgerichteter Flügelspieler. "Jemand, der im Spiel vielleicht nur viermal die Mittellinie überquert und nicht pausenlos die Flanken in den gegnerischen Strafraum schlägt", so Jantschke über den Außenverteidiger Jantschke.

Genau das dürfte dann wohl auch das entscheidende Manko sein: Der 24-Jährige hat im Spielaufbau noch Luft nach oben. Die Außenbahn ist nicht erst seit Lahm komplex, der Münchner hat für die Position allerdings auch eine ganz neue Messlatte gelegt. Nur die Seite dicht machen? Die Null halten? Schön und gut. Dann aber bitte noch im Spiel nach vorne Akzente setzen und für Glanzlichter sorgen. So die unverhohlenen Anforderungen des Bundestrainers.

Deshalb mag es nachvollziehbar sein, dass Löw auf den Außenpositionen anderen Akteuren den Vorzug gibt. Auch wenn die sich angesichts der Anforderungen auch nicht wirklich nachhaltig aufdrängen.

Dicht machen und die Null halten sind dann aber auch genau die Aufgaben, die in der deutschen Innenverteidigung gefragt sind. Und das sind die Aufgaben, die auch Jantschke derzeit erstklassig erledigt.

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