Hummels und Boateng Die Spielmacher aus der Tiefe

Jérôme Boateng und Mats Hummels prägen das deutsche Spiel über Spielverlagerungen und Pässe in die Schnittstellen. Heute gegen Nordirland ist diese Qualität wieder gefragt.

Thomas Müller, Jerome Boateng und Mats Hummels überragend bei Sieg gegen Tschechien
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Deutschland - Tschechien: Einzelkritik

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Wenn Jérôme Boateng und Mats Hummels durch die Tür kommen, dann wird es für einen Moment dunkel im Raum. Das heißt: Wenn einer von den beiden durch die Tür kommt, wird es dunkel. Zusammen passen sie nicht durch die handelsübliche Wandöffnung. Denn es sind zwei wandelnde Kleiderschränke, der eine (Boateng) 1,92 Meter groß, der andere 1,91 Meter, beide bringen satte 90 Kilo auf die Waage, und sie sind auch von der Seite betrachtet sehr raumgreifende Typen. Deshalb machen sie ordentlich Eindruck, wenn sie während des Spiels die Gegend um den Mittelkreis beherrschen. Da scheint dann nicht mehr viel Platz für andere zu sein.

Das Verteidiger-Paar von Bayern München macht aber nicht nur körperlich Eindruck. Boateng und Hummels sind so etwas wie die Spielmacher der deutschen Mannschaft aus der hinteren Linie. Beim 3:0 gegen Tschechien waren sie prägende Figuren auf dem Feld, und sie wollen das natürlich auch heute Abend beim nächsten WM-Qualifikationsspiel gegen Nordirland ( 20.45 Uhr/Live-Ticker) sein. Erneut sind sie dann die Spezialisten an der Pass-Stelle der DFB-Auswahl. Gemeinsam mit dem zentralen Mittelfeldspieler Toni Kroos sind sie dafür zuständig, durch die sogenannte Spielverlagerung auf die Flügel die Angriffe schnell zu machen und die gesamte Breite des Feldes zu öffnen. "Dadurch", sagt Bundestrainer Joachim Löw, "kann man eine gegnerische Abwehr aufreißen."

Es wird vielleicht nicht immer so gut laufen wie gegen die Tschechen, als die Innenverteidiger Serien präziser Pässe über 50, 60 Meter schickten, die selbst die Mitspieler verzückt bestaunten. "Das war wohl eine kleine Schlacht zwischen den beiden, wer den schönsten Pass spielt", sagte Kapitän Manuel Neuer. Die hochmodernen Jungs von der Zahlenzentrale haben genau mitgezählt. Hummels nahm mit seinen weiten Schlägen 127 Gegner aus dem Spiel, Boateng 94. Die Tschechen mussten hilflos den Bällen hinterherblicken, die in aller Regel sehr genau auf dem Schuh eines Außenspielers landeten, der dann wiederum schon sehr nah am gegnerischen Tor und mithin in einer gefährlichen Zone war.

Das sei natürlich so geplant gewesen, erklärte Löw. Hummels bestätigte das, räumte allerdings auch ein, "dass die langen Bälle einstudiert waren, aber weniger von mir als von Jérôme und Toni Kroos". Weil die Tschechen den Deutschen jedoch den Gefallen taten, die inneren Abwehrspieler zumindest über weite Strecken des Spiels früh anzugreifen, ging Hummels selbstständig vom großen Plan ab, der vorgesehen hatte, jeweils die Kollegen Boateng oder Kroos mit Querpässen zu bedienen. "Ich musste dann auch ran", sagte Hummels, "aber ich wusste ja, dass unsere Außen besetzt sind." Alles ganz einfach also. Gelegentlich wählte er den Weg durch die Mitte, zum Beispiel mit einem Franz-Beckenbauer-Gedächtnispass mit dem Außenrist auf Mario Götze, der auf den Rängen viele anerkennende Ahs und Ohs hervorrief. Zu Recht übrigens.

Nicht nur der Gegner kam mit seiner Spielweise den mächtigen deutschen Quarterbacks entgegen, diesen fußballerisch so eleganten Mittelgebirgen in der Deckung, auch die Mitspieler halfen tüchtig mit. "Vorne sind sie viele Wege in die Tiefe gegangen", stellte Löw zufrieden fest. Das öffnete zusätzliche Räume für die Spezialisten Hummels und Boateng, die mit allergrößter Selbstverständlichkeit ihre Pässe schlugen. Dahinter, das versicherten beide beinahe im Chor, stecken viele Stunden auf dem Trainingsplatz. "Ich trainiere diese Pässe seit Jahren", sagte Hummels. "Ich habe es früh trainiert und übe immer wieder", beteuerte Boateng, "deswegen gelingt es mir, den Ball ab und zu ganz gut anzubringen."

Präzision und Tempo sind ebenfalls die Schlüssel zum Erfolg gegen die Nordiren. Das haben Löw und Hummels noch mal ausdrücklich betont. Die tapferen Jungs von der Insel werden der deutschen Mannschaft allerdings nicht den Gefallen tun und die halbe Mannschaft zum frühen Angreifen abordnen. Schon beim EM-Gruppenspiel, das die DFB-Auswahl mit 1:0 gewann, bauten die Nordiren regelrechte Verteidigungswälle auf. Löws Elf zog die aber durch schnelle Verlagerungen auseinander. Sie kam zu Chancen und hätte höher gewinnen müssen.

Diesmal geht sie nach der überzeugenden Vorstellung gegen Tschechien mit Rückenwind ins Spiel. Und Hummels sprach für alle, als er feststellte: "Wir müssen jetzt nachlegen, dann ist die Situation in der Qualifikation schon mal ganz komfortabel." Er spricht gern für alle. Anders als Boateng, dem die Rolle des Klassensprechers in der Öffentlichkeit nicht so liegt. Immerhin ein Unterscheidungsmerkmal.

(pet)
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