Interview mit Lothar Matthäus „Deutschland wird schnell wieder aufstehen“

Düsseldorf · Der Rekordnationalspieler Lothar Matthäus hat noch Hoffnung für den deutschen Fußball. Im Interview spricht er über den Zustand des deutschen Fußballs, die Zukunft von Joachim Löw und Funktionäre beim DFB.

Lothar Matthäus in seiner Rolle als TV-Experte in der Bundesliga.

Lothar Matthäus in seiner Rolle als TV-Experte in der Bundesliga.

Foto: dpa/Andreas Gora

Lothar Matthäus ist am Donnerstag 58 Jahre alt geworden – gefeiert hat er in Dubai. Ein Telefongespräch mit dem Weltmeister von 1990.

Herr Matthäus, wie ist es um den Zustand des deutschen Fußball bestellt?

Matthäus Jedenfalls nicht so schlecht, wie es von einigen gemacht wird. Wir sind in Deutschland mal wieder viel zu kritisch. International hat unsere Mannschaft einen sehr guten Ruf. Man hat Respekt vor dem deutschen Fußball – trotz des schlechten Abschneidens bei der WM und des frühen Ausscheidens der deutschen Mannschaften in der Champions League. Andere Länder haben das auch alles schon mitgemacht, Deutschland wird schnell wieder aufstehen. Wir haben die Spieler, die man für den modernen Fußball braucht.

Alle deutschen Klubs in der Champions League bereits nach dem Achtelfinale ausgeschieden, nur noch Eintracht Frankfurt ist in der Europa League international dabei. Aufbruchstimmung sieht anders aus.

Matthäus Die deutschen Mannschaften sind nicht an ihre Leistungsgrenzen gekommen. Gegen englische Mannschaften dieses Kalibers muss man weit über sich hinauswachsen. Deutschland ist kein fußballerisches Entwicklungsland. Vereine wie Bayern München und mit etwas Abstand auch Borussia Dortmund können auch international weiter eine Rolle spielen. Aber dazu braucht man auch die nötige Mentalität in den eigenen Reihen.

Die fehlte?

Matthäus Die war nicht immer hundertprozentig da.

Ist Joachim Löw noch der richtige Bundestrainer?

Matthäus Er ist der Bundestrainer. Es gibt ja nur zwei Szenarien: Entweder er schafft die EM-Qualifikation, dann hat er sein erstes Ziel erreicht. Schafft er es nicht, wird es sicherlich auch auf seiner Position eine Veränderung geben.

Sie haben Löw für seinen „Eiertanz“ beim Umgang mit Müller, Boateng und Hummels kritisiert.

Matthäus Den Begriff „Eiertanz“ habe ich nur von ihm übernommen. Es gibt einfach ein paar Dinge, die mir bis heute unverständlich sind. Mir will der Zeitpunkt einfach nicht in den Kopf. Warum gerade jetzt? Warum nicht schon in der Winterpause? In dieser Phase einer Saison direkt vor der EM-Qualifikation solche Entscheidungen zu treffen, ist zumindest äußerst ungewöhnlich. Dass es so gekommen ist, hat auch damit zu tun, dass der Bundestrainer aus meiner Sicht zwei Mal den richtigen Zeitpunkt verpasst hat.

Einmal in der Winterpause, wann wäre der andere gewesen?

Matthäus Nach der WM.

Wie haben Sie eigentlich damals davon erfahren, nicht mehr Teil der Nationalmannschaft zu sein?

Matthäus Berti Vogts hat mit mir damals darüber überhaupt nicht geredet. Ich war einfach bei der Europameisterschaft 1996 nicht dabei und danach noch zwei weitere Jahre nicht. Damals gab es allerdings auch noch kein Social Media, dadurch wird alles auch heutzutage extrem hochgekocht. Es hätte vielleicht auch im Fall von Löw eine Presseerklärung gelangt, es ehrt ihn ja fast schon, dass er nach München gefahren ist. Was die Betroffenen so enttäuscht hat, dass bereits vor dem Gespräch auch einige Medienvertreter darüber informiert worden sind. Das war einfach kein guter Stil.

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Foto: dpa, Daniel Reinhardt

Wäre es bei einem echten Neuanfang nicht auch an der Zeit gewesen, Marc-André ter Stegen zur neuen Nummer eins zu machen?

Matthäus Das hat mich nicht überrascht. Manuel Neuer hat sich in den vergangenen eineinhalb Jahren durchaus einige Fehler erlaubt und war lange verletzt, er braucht wieder etwas mehr Selbstbewusstsein, um zurück zu alter Stärke zu finden. Wenn es alleine nach Leistung ginge, dann ist ter Stegen dem Manuel schon ein Stückchen voraus. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass ter Stegen bis zur Europameisterschaft den Stammplatz bekommen wird.

Zwischen Löw und DFB-Präsident Reinhard Grindel kriselt es seit Monaten. Kann das gut gehen?

Matthäus Ach, sehen Sie, man sollte sich selbst nicht so wichtig nehmen. Es gibt beim DFB aber leider Funktionäre, die sich wichtiger finden als das Große und Ganze. Das ist natürlich ein Problem. Es gibt halt Leute, für die der Fußball eine gute Möglichkeit ist, sich ins Rampenlicht zu stellen. Da geht es weniger um die Sache.

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