Bundestrainer setzt Zeichen Klinsmann räumt auf - Ballack Kapitän

Frankfurt/Main (rpo). Der neue Bundestrainer Jürgen Klinsmann hat mit einer Reihe von Paukenschlägen sein erstes Länderspiel auf der Bank gegen Österreich am Mittwoch in Wien (20.45 Uhr/bei uns im LIVE!-Ticker) eingeläutet.

Oliver Kahn als Kapitän entmachtet, Michael Ballack zum neuen Spielführer bestimmt, Bundes-Torwart-Trainer Sepp Maier abgemahnt und "Oldie" Thomas Linke aus dem "Ruhestand" zurückgeholt - das war Klinsmanns "Arbeitsnachweis" bei der Zusammenkunft in Gravenbruch.

Vor seinem Premieren-Länderspiel als Bundestrainer verkündete der 40-Jährige, dass Kahn, der seit dem 2. Juni 2001 etatmäßig die Binde getragen und seitdem Deutschland 38-mal als Kapitän aufs Feld geführt hat, beim "Projekt WM 2006" durch seinen Münchner Vereinskollegen Michael Ballack abgelöst wird.

"Der entscheidende Punkt war für mich, dass ein Feldspieler im Gegensatz zum Torwart Kontakt zu allen Mannschaftsteilen hat. Ballack ist gesetzt, falls er nicht verletzt ist. Er ist in der Lage, auf dem Feld die Zügel in die Hand zu nehmen, wenn es mal nicht so läuft." Am Montagmorgen hatte Klinsmann nach einem 20-minütigem Teammeeting zunächst Kahn - "Er hat das sehr professionell aufgenommen" - und dann Ballack jeweils im Vier-Augen-Gespräch von seiner Entscheidung unterrichtet.

"Ich freue mich auf diese neue Aufgabe und vor allem über das Vertrauen von Jürgen Klinsmann. Ich hoffe, dass ich in dieser Rolle viel dazu beitragen kann, dass wir unser Ziel bei der WM 2006 erreichen. Ich bin immer dafür kritisiert worden, dass ich nie der Lautsprecher auf dem Platz gewesen bin. Aber ich bin ein zentraler Mittelfeldspieler und kann dadurch viel Einfluss auf die Mannschaft ausüben. Ich werde jetzt noch mehr Verantwortung übernehmen", sagte der 27-jährige Ballack, dessen Stellvertreter Kahn sein wird.

Kahn trug's mit Fassung

Der bisherige Kapitän, der bei seinem Klub vom neuen Bayern-Trainer Felix Magath in seiner Rolle als Spielführer bestätigt worden war, trug diese wegweisende Personalentscheidung äußerlich mit Fassung. "Mir kommt die Aufteilung entgegen. Denn so muss ich mich nicht mehr auf Nebenkriegsschauplätzen verschleißen. Ich beschäftige mich ohnehin nicht groß mit diesen Dingen, denn ich möchte mich die nächsten zwei Jahre voll aufs Sportliche konzentrieren", sagte der 35-Jährige, der auf dem Weg zur WM 2006 in Deutschland mit dem Titel als erklärtem Ziel zudem seine Rolle als unumstrittene Nummer eins verloren hat.

Für Kahn steht dies aber gar nicht zur Debatte. "Die Diskussionen werden bald so gut wie verstummen. In einem halben Jahr wird man darüber kein Wort mehr verlieren müssen, wer im Tor steht. Ich gehe davon aus, dass ich gegen Österreich im Tor stehe", meinte Kahn, der die Diskussionen über das von Klinsmann angekündigte Rotationprinzip bei den Torhütern als "aberwitzig" und "lächerlich" bezeichnete.

Bei diesem Thema, das das ehrgeizige "Projekt WM 2006" bereits in seiner Entstehung belastet, ruderte der neue Bundestrainer aber gleich wieder zurück. "Rotation bedeutet, dass ich allen Spielern Gelegenheit geben möchte, sich zu präsentieren. Aber klar ist: Kahn ist die Nummer eins, Lehmann die Nummer zwei und Hildebrand die Nummer drei. Oliver wird in Österreich auf jeden Fall beginnen." Klar sei aber auch, dass Lehmann nun in "der Rolle des Herausforderes sei" und sich "Kahn in seiner Position behaupten" müsse.

Der Ehrgeiz von Lehmann, der seinen Erzrivalen keinen Blickes würdigte, ist jedenfalls wieder angestachelt und birgt neues Konfliktpotenzial für die nächsten Wochen und Monate. "Verschlechtern kann ich mich ja nicht. Ich gehe davon aus, dass ich jetzt öfters spiele. Am liebsten würde ich im September in Berlin gegen Brasilien spielen, aber Österreich wäre auch nicht schlecht", kommentiere der Keeper von Englands Meister Arsenal London die neue Situation. Zu den Äußerungen von Bundes-Torwart-Trainer Sepp Maier, der Klinsmanns Entscheidung in der Torwartfrage in einem Interview mit der Welt harsch kritisiert und Kahn als unumstrittene Nummer eins bezeichnet hatte, wollte Lehmann keine Stellung beziehen:"Ich gehe davon aus, dass Jürgen mit Sepp über diese Äußerungen sprechen wird."

Das hatte Klinsmann bereits am Montagmorgen erledigt: "Ich habe ihm in aller Deutlichkeit klar gemacht, dass er seine Meinung gegenüber mir und Löw äußern kann, aber nicht über Dritte. Das wird und darf in Zukunft nicht mehr passieren."

Linke wieder dabei

Dass Thomas Linke, der nach der WM 2002 eigentlich seinen Rücktritt erklärt hatte, in Wien sein Comeback im DFB-Trikot geben wird, geriet angesichts der anderen Personalien beinahe zur Nebensache. "Mir war wichtig, dass ich einen erfahrenen Mann in der Abwehr dabei habe, der in Topform ist und auch die Jungen führen kann", begründete Klinsmann seine überraschende Nachnominierung und fügte an: "Wenn Thomas Lunte gerochen hat, kann er selbst entscheiden, ob er nur das eine Mal aushilft oder sich Richtung WM wieder ins Spiel bringt. Bei mir zählt nur Leistung, egal, ob einer 18 oder 40 Jahre alt ist."

Personell muss Klinsmann bei seinem Debüt in Wien auf alle Fälle improvisieren, nachdem die beiden Abwehrspieler Arne Friedrich und Jens Nowotny jeweils wegen Kniebeschwerden und Stürmer Miroslav Klose ("Pferdekuss") für das erste Saison-Länderspiel ausfallen. Neben Linke wurden noch "U21"-Nationalspieler Robert Huth vom FC Chelsea und der Schalker Vize-Weltmeister Gerald Asamoah nachnominiert.

(sid)
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