Wagnis Bundestrainer Nagelsmann muss beweisen, dass er gelernt hat

Meinung | Düsseldorf · Der frühere Bayern-Trainer soll den Job als Bundestrainer übernehmen. Das nötige Selbstbewusstsein für die Aufgabe bringt er mit. Das allein wird aber nicht reichen. Fehler wie beim FC Bayern darf er sich nicht leisten. Er muss das Team schnell von seinen Fähigkeiten überzeugen.

Porträt: Das ist Julian Nagelsmann - TSG 1899 Hoffenheim, RB Leipzig, Bayern München
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Das ist Julian Nagelsmann

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Foto: dpa/Jan Woitas

Julian Nagelsmann soll die deutsche Fußball-Nationalmannschaft nun also aus der Krise führen. Der DFB hat die Verpflichtung des ehemaligen Bayern-Trainers am Freitagmittag bestätigt. Der Verband hat sich damit für die naheliegende und vielleicht auch einfachste Lösung entschieden. Damit die Mission „erfolgreiche Heim-EM 2024“ gelingt, muss Nagelsmann die Altlasten aus seiner Zeit als Bayern-Trainer aber schnell entsorgen. Talent, fachliche Kompetenz und vor allem taktische Intelligenz sind bei dem 36-Jährigen zweifelsohne vorhanden. Das hat er bei Hoffenheim, Leipzig und ansatzweise auch bei den Bayern gezeigt. Nagelsmann kann ein Team und einzelne Spieler besser machen.

Der noch junge Trainer muss sich aber in Drucksituationen beweisen. Die Aufgabe beim FC Bayern schien für ihn mit allem Drumherum noch eine Nummer zu groß. Und die Herausforderung beim DFB wird nicht kleiner. Im Gegenteil: Das Team ist am Tiefpunkt angekommen, die Erwartungen an den neuen Trainer sind hoch. Die Aufgabe: Das Team bis zur Heim-EM wieder zum Titelkandidaten formen. Anlaufzeit bleibt dem Trainer nicht.

Als es bei den Bayern nicht so erfolgreich lief wie erhofft, wirkte Nagelsmann dünnhäutig. Er schimpfte gegen Schiedsrichter, reagierte teils pampig auf Kritik. Die bekam er unter anderem ausgerechnet für seine taktischen Entscheidungen. Immer wieder wechselte Nagelsmann das System. Oft ohne Verbesserungen zu bewirken. Ein Vorwurf, mit dem sich auch Hansi Flick in seinen zwei Jahren als Bundestrainer immer wieder konfrontiert sah. Das Nationalteam wirkte ob der vielen Experimente im System nie eingespielt.

Nagelsmann muss aber genau diese Routine und Sicherheit nun bis zur EM in neun Monaten herstellen. Wenn er aus den Erfahrungen bei den Bayern gelernt hat, kann das gelingen. Es gilt für ihn, mit den Nationalspielern eine klare Spielidee zu entwickeln. Der 36-Jährige muss die DFB-Spieler nach den Misserfolgen der vergangenen Monate wieder zu einem Team einen, sie aufbauen und weiterentwickeln.

Die nötige Energie und Leidenschaft bringt Nagelsmann dafür mit. Dass er die Fähigkeiten besitzt, auf Spieler einzugehen, die passende Ansprache zu finden, hat er bei Hoffenheim und Leipzig bewiesen. Nun muss ihm das auch auf größerer Bühne und bei Spielern gelingen, die er nicht jeden Tag im Training sieht.

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Foto: dpa/Federico Gambarini

Besonders angewiesen ist er dabei auf das Mitwirken und Vertrauen der Führungsspieler. Sein Vorteil: Viele der Spieler kennt er eben auch gut vom FC Bayern. Zu einigen von ihnen gilt das Verhältnis aber als durchaus belastet. Der Konflikt mit Manuel Neuer, von dessen Torwarttrainer sich Nagelsmann trennte, schlug hohe Wellen beim FC Bayern. Auch Thomas Müller war nicht immer erfreut, dass er bei Nagelsmann auf der Bank saß. Etwaige persönliche Vorbehalte gilt es im Sinne des Teams schnell auszuräumen. Und ähnliche Konflikte gilt es gerade im sensiblen und wackligen Konstrukt Nationalmannschaft zu vermeiden.

Julian Nagelsmann als Bundestrainer ist ein Wagnis – für den DFB und den Trainer selbst. Vieles wird darauf ankommen, ob sein Scheitern beim FC Bayern München ein Lerneffekt für Nagelsmann war.

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