Der Breisgau, Klopp und Matthäus Die Gewinner und Verlierer des Löw-Rückzugs

Düsseldorf · Joachim Löws Abtritt als Bundestrainer nach der EM im Sommer schlägt hohe Wellen. Einige gehen gestärkt aus diesem Sturm hervor, andere drohen über Bord zu gehen. Wir zeigen die Gewinner und Verlierer des Löw-Rückzugs – und zu welcher Kategorie Jürgen Klopp gehört.

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Das sind mögliche Trainerkandidaten für das Nationalteam

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Foto: dpa/Julian Stratenschulte

Die Gewinner

  • Joachim Löw selbst. Nach dem 0:6-Debakel gegen Spanien im November wurden Rufe laut, dass der DFB das Kapitel Löw beenden sollte. Ob ihm vonseiten des Verbandes wirklich ein Rücktritt nahegelegt wurde, ist unbekannt, aber nicht ausgeschlossen. Doch der dienstälteste Nationaltrainer der Welt durfte seinen Job nach Krisengesprächen behalten – und jetzt selbst über das Ende seiner Amtszeit bestimmen. So hat er das Heft des Handelns zurück in der Hand. Er wird nicht als Bundestrainer in Erinnerung bleiben, der seine Zeit bei der Nationalmannschaft hoffnungslos überreizte und schließlich gefeuert wurde, sondern als Weltmeister-Trainer, der sich nach einer langen und erfolgreichen Karriere in den Ruhestand verabschiedet.
  • Das Weltmeister-Trio. Plötzlich besteht für Thomas Müller, Mats Hummels und Jerome Boateng wieder eine reale Chance auf eine Rückkehr in die Nationalmannschaft – vielleicht sogar schon zur Europameisterschaft im Juni. Bislang wehrte sich  Löw nach der Ausbootung des Weltmeister-Trios beharrlich dagegen, die Routiniers trotz Top-Leistungen in der Liga wieder für das DFB-Team zu berücksichtigen. Sein angekündigter Rückzug öffnet Müller, Hummels und Boateng jedoch gleich doppelt die Tür zur Nationalelf. Löws erstes Ziel ist es nicht mehr, den Umbruch weiterzuführen, sondern ein erfolgreiches letztes Turnier zu spielen. Dafür kann er die erfahrenen Profis gut gebrauchen. Und falls nicht, kann ein neuer Bundestrainer die drei Weltmeister von 2014 – wenn sie es denn wollen – ohne Altlasten zurückholen.
  • Die Bundesliga. Löw hat einigen Klubs in den vergangenen Jahren die kalte Schulter gezeigt. Immer wieder äußerten sich Vereinsvertreter pikiert, dass er ihre Spieler nur unzureichend wahr- und mitgenommen hatte. Wie den ehemaligen Frankfurter Stürmer Alex Meier, der in der Bundesliga regelmäßig zweistellig traf, 2015 sogar Torschützenkönig wurde - und in seiner Karriere trotzdem auf nicht einen Einsatz als A-Nationalspieler kam. Ein neuer Bundestrainer bedeutet auch eine neue Chance für die zahlreichen guten Nicht-Nationalspieler Deutschlands.
  • Lothar Matthäus. Der Rekordnationalspieler ist mal wieder in aller Munde. Nicht wenige trauen ihm die Nachfolge von Löw zu – darunter die ehemaligen Nationalspieler Bastian Schweinsteiger und Mehmet Scholl. Das ist gut für Matthäus’ Trainer-Image, das bei diversen wenig erfolgreichen Stationen wie in Israel oder Bulgarien gelitten hat. Dabei fühlt sich der 59-Jährige, wie er selbst sagt, in seiner Rolle als TV-Experte sehr wohl und hat keinesfalls vor, diese aufzugeben. Schließlich ist es auch deutlich angenehmer, über andere zu urteilen, anstatt selbst in der Kritik zu stehen. Und nochmal zum Thema Image: Es gibt Schlechteres, als in der Position zu sein, den Job als deutscher Bundestrainer ablehnen zu können.

Die Verlierer

  • Die DFB-Spitze. Beim Deutschen Fußball-Verband hat man höflich darauf gewartet, dass der dienstälteste Nationaltrainer das Ende seiner Ära selbst bestimmt. Schon im November machten die Verantwortlichen rund um DFB-Präsident Fritz Keller keine gute Figur, als sie Löw nach den Enttäuschungen bei den zurückliegenden Turnieren auch noch das peinliche 0:6 gegen Spanien durchgehen ließen. Durch Löws Rückzug steht die DFB-Spitze jetzt schon wieder passiv da und hat es verpasst, die Zukunft des Nationalteams selbst aktiv zu ordnen.
  • Jürgen Klopp. Für den derzeitigen Coach des FC Liverpool kommt die Bundestrainer-Stelle ein bis zwei Jahre zu früh. Er galt als Wunschkandidat des DFB, bevor er noch am Tag von Löws Ankündigung mitteilte, wegen seines Jobs in England in diesem Sommer nicht zur Verfügung zu stehen. Sein Vertrag dort läuft bis 2024. Dabei liebäugelte Klopp schon im vergangenen Jahr öffentlich mit dem Gedanken, das Nationalteam zu übernehmen. „In Zukunft vielleicht“, antwortete er damals auf die Frage, ob er sich das Amt vorstellen könne. Das Problem: Sollte der nächste Bundestrainer eine ähnliche Konstanz wie Löw an den Tag legen und sich auch 15 Jahre im Amt halten, könnte es für den heute 53-jährigen Klopp irgendwann zu spät sein.
  • Vereine auf Trainersuche. Klubs, die im Sommer einen neuen Trainer benötigen, haben nun einen prominenten Arbeitgeber als Konkurrenten mehr. Etwa Borussia Mönchengladbach. Dort verliert man Coach Marco Rose nach der Saison an den BVB und sucht derzeit Ersatz. Einer der heiß gehandelten Kandidaten ist Ralf Rangnick. Doch der steht auf einmal auch beim DFB als Löw-Nachfolger auf dem Zettel. Rangnick dürfte sich nun zweimal überlegen, ob er bei Borussia schon zusagt oder sich den Job des Bundestrainers lieber noch offen hält.
  • Der Breisgau. Wer den Ortseingang von Schönau im Schwarzwald passiert, kommt am Gesicht von Jogi Löw nicht vorbei. Ein großes Plakat zeigt jedem: Das hier ist die Geburtsstadt unseres Bundestrainers. Durch ihn erlangte die ganze Region eine Bekanntheit, die mit seinem Rückzug aus dem Amt zumindest teilweise wieder verfliegen wird. Und auch beim SC Freiburg müssen sie sich wohl darauf einstellen, dass der neue Bundestrainer nicht mehr so häufig als Stadionbesucher im Breisgau auftauchen wird.
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