Kolumne: Die Woche im Sport Die wunderbare neue Fußball-Welt von Jogi Löw

Kaiserslautern · Rustikal war gestern. Beim DFB geht es heutzutage filigraner zur Sache. Erlebnis- statt Ergebnisfußball ist der Grundsatz

Es gab im deutschen Fußball mal eine Zeit, da lief das Spiel so: Im Mittelfeld grätschten Frings und Jeremies mit der Hingabe zweibeiniger Gartenfräsen über den Rasen. In der Abwehr fuhren Kohler, Wörns oder Rehmer die breite Brust raus und köpften 100 Meter weit. Und wenn es eng wurde, kloppte irgendjemand den Ball hoch nach vorn. Mindestens ein Bierhoff wuchtete ihn schließlich ins Netz. Das trug eine Weile zu annehmbaren Ergebnissen bei, am Ende nur noch zu Langeweile und heftigen Anfällen von Fremdschämen im Publikum. Der deutsche (Nationalmannschafts-) Fußball hatte sein Etikett: Rumpelfußball. Das wollen wir nicht wieder haben. Nein, nein, nein.

Inzwischen darf der Fan richtig stolz sein auf sein Team, das einen weltweit bewunderten Stil pflegt, in dem Grätschen auf dem Index zu stehen und der Doppelpass auf der gegnerischen Torlinie Pflicht zu sein scheint. Wahrscheinlich hat deshalb der Fanclub der Nationalelf so einen extremen Zulauf. Und vielleicht ist das der Grund dafür, dass sogar der Fanclub extrem wichtig ist. Er hat natürlich eine eigene Organisation, bei der der Deutsche Fußball-Bund selbstlos hilft, und er wird stets mit dem schönen Zusatz "powered by Coca-Cola" angesagt. Er ist also fast so werbewirksam wie die Spieler selbst. Man könnte platzen vor Stolz.

So wie der Fanclub sich gelegentlich gern mit sich selbst beschäftigt, so sehr neigt auch Deutschlands Fußballstolz zu Anfällen von Selbstverliebtheit. Da steht manchmal die B-Note für den künstlerischen Ausdruck höher im Ansehen als das kühle Resultat. Erlebnis- statt Ergebnisfußball ist der Grundsatz.

Er ist nicht völlig falsch, weil er der Schönheit des Spiels den größten Raum gibt. Wenn er aber gleichzeitig ignoriert, dass es neben aller Verpflichtung auf das Ästhetische und den Unterhaltungsaspekt am Ende ("schlussendlich" würden die Fußballer sagen) ums Ergebnis geht, ist etwas aus dem Gleichgewicht geraten. Kunst um der Kunst willen ist nur noch reine Show, das ist kein Sport.

Ein bisschen Oliver Bierhoff und vor allem ein bisschen Jürgen Kohler würden der deutschen Nationalmannschaft ganz gut tun. Denn sie sorgt zurzeit nicht nur bei ihren Anhängern für viel Spaß, sondern auch bei ihren Gegnern. Den Schweden gestattete sie vier Treffer, Ecuador zwei, den USA vier, Paraguay drei. Der legendäre Huub Stevens ("die Null muss stehen") bekäme Schnappatmung.

Der große Gegner Spanien, an dem sich die deutschen Fußballkünstler seit Joachim Löws Amtsantritt als Bundestrainer noch stets die Zähne ausgebissen haben, hat längst bewiesen, dass Kunst und Kompaktheit im Spiel durchaus zusammenkommen können. Die Spanier schießen zwar weniger Tore, sie fangen sich aber auch kaum mal eins. Und nur so gewinnt man Titel.

Dem Publikum ein Spektakel zu bieten, ist aber auch ganz schön. Auf jeden Fall besser als 90 Minuten Rumpelfußball.

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(RP)
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