Kolumne Gegenpressing Warum Flick jetzt nicht der richtige DFB-Trainer ist

München · Der Verband hat es sich gemütlich gemacht in verkrusteten Strukturen. Deshalb braucht er wieder mal einen Reformer, keinen höflichen und harmoniebedürftigen Coach. Ein Unbequemer muss her, einer wie Ralf Rangnick.

 Hansi Flick.

Hansi Flick.

Foto: AP/Christof Stache

Man muss sich Hansi Flick gegenwärtig als sehr entspannten Menschen vorstellen. Den ungemütlichen Machtkampf mit seinem herzlich ungeliebten Sportdirektor Hasan Salihamidzic hat Bayern Münchens Trainer zumindest in den Augen der Öffentlichkeit gewonnen. Er geht als der Mann mit den deutlich größeren Sympathiewerten aus dieser Auseinandersetzung hervor. Und als der, dessen Wunsch sich erfüllt, den Vertrag nicht ableisten zu müssen.

Seinen zweiten Meistertitel, den neunten der Münchner in Folge, wird er ganz nebenbei auch noch mitnehmen. Seine Spieler liegen ihm nicht nur deshalb regelrecht zu Füßen. Nach dem Erfolg über Bayer Leverkusen hat Flick sogar mit Salihamidzic vor den Kameras abgeklatscht. Da ist einer mit sich im Reinen.

Schon freuen sich die Nationalspieler der Bayern auf die Fortsetzung der Zusammenarbeit bei der DFB-Auswahl, denn Flick gilt als ausgemachter Nachfolger für Joachim Löw, der nach der Europameisterschaft (11. Juni bis 11. Juli) aufhören wird und dessen Assistent er von 2006 bis 2014 war. Flick scheint für das Amt des Bundestrainers keine ernsthafte Konkurrenz zu haben.

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Foto: dpa/Julian Stratenschulte

Aber ist er der richtige Mann? Auf jeden Fall ist er ein herausragender Trainer und ein Coach, der einen Zugang zu seinen Spielern findet. Das hat er bei den Bayern bewiesen, als er in kürzester Zeit aus einem strukturlosen Haufen aus Ichlingen das beste Team Europas machte. Das hat jeder gesehen, weil es vor aller Augen geschah.

Beim DFB hat er es als Löws Assistent bewiesen, ohne dass die breite Öffentlichkeit davon groß Kenntnis nahm. Sein Anteil an der Entwicklung einer Mannschaft, die schließlich Weltmeister wurde, kann gar nicht überschätzt werden. Dass die Nationalmannschaft nach 2014 an Klasse verlor, hat auch mit Flicks Abwesenheit zu tun.

Wer die sportliche Seite im DFB isoliert von allem gesellschaftlichen Treiben im Verband sieht, der kommt an Flick nicht vorbei. Der DFB benötigt 2021 aber viel mehr als einen der besten Trainer der Welt. Er hat sich mit einem Coach, den das Leben auf der Erde schon lange nicht mehr kümmert, in Selbstzufriedenheit, mangelnder Transparenz und internen Machtspielchen zurückentwickelt. Er ist beinahe wieder bei den verkrusteten Strukturen angelangt, die um die Jahrtausendwende der wesentliche Grund dafür waren, dass Deutschlands Fußball abgehängt wurde. Erst Jürgen Klinsmann, sicher nicht der begabteste Taktiker auf dem Planeten, hat diese Strukturen aufbrechen können, weil er sich mit jedem anlegte, der sich Reformen in den Weg stellte.

Hansi Flick regelt seine Kraftproben im Stillen, oft durch Rückzug (siehe Bayern), und nichts ist ihm so wichtig wie Harmonie.

Darum finden ihn die DFB-Funktionäre ja auch so gut. Flick käme zurück in seine alte Heimat, alles wäre wie früher und furchtbar gemütlich, ein Biedermeier-Bild von einem Verband. Vor allem Direktor Oliver Bierhoff müsste nicht befürchten, dass da jemand in seine Kompetenzen hineinregiert.

Der DFB aber braucht jemanden, der Ärger gemacht, der althergebrachte Ordnungen in Frage stellt. Er braucht nicht in erster Linie einen überragenden Trainer, sondern wieder mal einen Reformer. Er braucht einen richtigen Quälgeist, einen, der jeden Stein umdreht und sich überall einmischt. Er braucht, man traut es sich fast nicht zu sagen, Ralf Rangnick, den vielleicht anstrengendsten Fußballprofessor aller Zeiten.

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