Nationalmannschaft Bierhoff sieht sich und Löw als Teil des Problems

Düsseldorf · In einem Interview hat der Nationalmannschafts-Direktor darüber nachgedacht, ob es nicht besser gewesen wäre, Mesut Özil daheim zu lassen. Die Reaktionen darauf haben ihn offenbar überrascht.

Führungsfiguren auf dem WM-Trainingsplatz: Bundestrainer Joachim Löw (l.) und Manager Oliver Bierhoff.

Führungsfiguren auf dem WM-Trainingsplatz: Bundestrainer Joachim Löw (l.) und Manager Oliver Bierhoff.

Foto: dpa/Ina Fassbender

Am Wochenende ist Oliver Bierhoff auf Wiedergutmachungstour gegangen. In den Fernsehstudios der Republik entschuldigte er sich für ein „Missverständnis“, das sein Interview mit der „Welt“ hervorgerufen habe. In dem Gespräch hatte der Nationalmannschafts-Direktor gesagt: „Wir haben Spieler bei der deutschen Nationalmannschaft nie zu etwas gezwungen, sondern immer versucht, sie für eine Sache zu überzeugen. Das ist uns bei Mesut nicht gelungen. Und insofern hätte mach überlegen müssen, ob man sportlich auf ihn verzichtet.“

Mesut Özil hatte sich geweigert, eine Erklärung zu seinem Fototermin mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan abzugeben. Bierhoffs Äußerung im Interview wurde überwiegend als der Versuch begriffen, sich in Özil einen billigen Sündenbock für das peinliche Ausscheiden aus der WM-Vorrunde zu schaffen und sich selbst aus der Schusslinie zu bringen.

Damit scheint ausgerechnet der mediengewandte Manager Bierhoff nicht gerechnet zu haben. In seinen Rechtfertigungsversuchen vom Wochenende geht es ihm vor allem um den Eindruck, er habe die Folgen seines Interviews nicht bedacht. „Es tut mir leid“, sagte er , „ich habe mich da falsch ausgedrückt. Was ich sagen wollte, war: Wenn wir auf ihn verzichten, dann nicht aus dem Grunde heraus, dass dieses Foto entstanden ist, sondern aus sportlichen Gründen. Aber wir haben uns für ihn entschieden, und dazu stehen wir auch. Es sollte keine Aussage im Nachhinein sein, dass wir auf ihn hätten verzichten sollen.“

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Foto: dpa/Ina Fassbender

Ebenso überrascht ist Bierhoff, „dass in alles etwas hineininterpretiert“ werde. Das glaubt er allerdings nicht einmal selbst. Denn er weiß, wie eine Debatte in der Öffentlichkeit geführt wird, und er kennt die Macht des Worts. Deshalb war es sicher kein Zufall, wie er sich zum Thema Özil geäußert hat. Der Sturm der Entrüstung, der dem Manager nun vor allem in den sozialen Medien entgegenweht, hat ihn offenbar dazu veranlasst, sich sozusagen von sich selbst zu distanzieren. Das hört sich nicht nur seltsam an, das passt auch nicht zu Bierhoff. Möglicherweise ist er von den Gremien des DFB zu einer Richtigstellung gedrängt worden.

Damit könnte auch erklärt werden, dass Bierhoff jetzt bereit ist, sich selbst und Bundestrainer Joachim Löw als „Teil des Problems“ zu bezeichnen. Das war ihm in den ersten Tagen nach dem schnellen Abschied aus dem WM-Turnier noch nicht unterlaufen. Dieses Schuldeingeständnis bleibt jedoch vage, von einer Analyse der Gründe für das unvorhersehbare Scheitern des Weltmeisters kann elf Tage nach dem 0:2 gegen Südkorea noch keine Rede sein. „Es ist komplex“, sagte Bierhoff im ZDF.

Das ist es gewiss. Es kann ja nicht sein, dass allein Özils Verweigerungshaltung, Sami Khediras bemerkenswerte Formschwäche oder die taktischen Fehler der Mannschaft für sich genommen Gründe für das Scheitern sind. Da kommt viel mehr zusammen. Unter anderem Führungsschwäche in der sportlichen (Löw) und administrativen Leitung (Bierhoff).

Löw muss sich vorhalten lassen, viel zu spät auf offensichtliche Missstimmung und lodernde Feuer in den sozialen Beziehungen der Mannschaft reagiert zu haben. Bierhoff muss mit dem Vorwurf leben, im ganzen Marketing-Theater einen Entfremdungsprozess der Spieler von der Öffentlichkeit, ja von der Welt fortgeschrieben zu haben, der ihm nun auf die Füße fällt. Insofern stimmt es, dass Löw und Bierhoff Teile des Problems sind. Für so manchen sind sie das eigentliche Problem.

Das muss Bierhoff in diesen Tagen bewusst geworden sein. Löw hat sich öffentlich dazu noch nicht geäußert. Die „Süddeutsche Zeitung“ zitiert aus der Sitzung mit den DFB-Gremien, in der vergangenen Dienstag beschlossen wurde, dass Löw im Amt des Bundestrainers bleiben soll. Das Gesicht der Mannschaft, habe der Coach gesagt, werde sich wandeln, aber er habe keinen Spielernamen genannt. Ausdrücklich aber habe er festgestellt: „Oliver Bierhoff ist mein wichtigster Mann.“

Der DFB scheint finster entschlossen, diese Schicksalsgemeinschaft in ihrem Wirken zu bestätigen. Für Bierhoff ist das ein Teil seiner Wiedergutmachungstournee, die nicht bei Erklärungen zu Erklärungen in Interviewpassagen über Özil endet. „Wir haben 14 Jahre Applaus gekommen“, erklärte der Manager, „da kann man sich nicht so leicht vom Acker machen, wenn es einmal schlecht war. Wir sind da in der Verantwortung, in erster Stelle Jogi und ich.“ Es gibt Menschen, die halten genau das für das zentrale Problem: Dass Bierhoff und Löw allein darüber entscheiden, wann ihre Mission beendet ist. Das wiederum hat der DFB so entschieden.

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