Kritik von überall, Ärger im DFB Löw steht vor seiner öffentlichen Erklärung schwer unter Druck

Frankfurt/Berlin · Joachim Löw stellt sich. Bei der Kadernominierung für die ersten Länderspiele des Jahres muss sich der Bundestrainer am Freitag die Ausbootung eines Weltmeister-Trios und mögliche Dissonanzen mit dem DFB-Präsident erklären.

 Bundestrainer Joachim Löw.

Bundestrainer Joachim Löw.

Foto: dpa/Ina Fassbender

Joachim Löw kennt das Gefühl nur zu gut. Dutzende Kameras sind auf ihn gerichtet, zahlreiche fragende Gesichter starren ihn an - die ganze Fußballnation erwartet Antworten vom Bundestrainer. Vor einem halben Jahr erklärte Löw so nach einem monatelangen Versteckspiel das historische WM-Debakel, jetzt muss er sich wieder öffentlich rechtfertigen. Der Druck ist diesmal nur unbedeutend geringer.

Die zum Teil verheerende Kritik an seiner Ausbootung des bayerischen Weltmeister-Trios Thomas Müller, Mats Hummels und Jerome Boateng hat den Bundestrainer vor der öffentlichen Kader-Nominierung am Freitagmittag (12.30 Uhr) für die ersten Länderspiele des Jahres in arge Erklärungsnot gebracht.

Ein paar unverbrauchte Gesichter für das Testspiel am 20. März in Wolfsburg gegen Serbien und für den Auftakt in der EM-Qualifikation vier Tage später in den Niederlanden (beide 20.45 Uhr/RTL) zu präsentieren - das allein wird die Lage nicht beruhigen. Denn im Sepp-Herberger-Raum der DFB-Zentrale in Frankfurt/Main muss Löw noch zu einer anderen brisanten Sache Stellung beziehen: Mit dem offensichtlichen Alleingang soll er auch den völlig überraschten DFB-Präsidenten Reinhard Grindel vor den Kopf gestoßen haben.

Der DFB-Boss soll erst wenige Stunden vor Löws merkwürdig verlaufenden Treffen mit den geschassten Bayern-Profis von der Entscheidung und der Form in Kenntnis gesetzt worden sein. Laut FAZ wird in DFB-Kreisen die Frage aufgeworfen, ob Löw damit seine Kompetenz überschritten habe. Liga-Chef Reinhard Rauball sprach gegenüber Grindel "Defizite" in dieser Sache an - ein klärendes Gespräch mit Nationalmannschaftsdirektor Oliver Bierhoff ist anberaumt.

Uli Hoeneß hatte bereits für den Mittwochabend ein Vier-Augen-Gespräch mit Löw am Rande des Achtelfinal-Rückspiels der Münchner in der Champions League gegen den FC Liverpool angestrebt. "Das wäre mir natürlich lieber", sagte Hoeneß im BR Fernsehen, "weil ich ja bekannt bin für harte oder klare Aussagen." Bislang hat sich Hoeneß mit viel Mühe auf die Zunge gebissen.

Auch ohne Kritik aus der "Abteilung Attacke" bekam Löw für seine Entscheidung, die Karrieren der 2014-Weltmeister Müller, Hummels und Boateng im DFB-Team quasi von sich aus für beendet zu erklären, reichlich Schelte. Jüngst reihte sich auch Liverpools Teammanager Jürgen Klopp in die Liste der Verständnislosen ein: "Dass sie gar nicht mehr in der Auswahl sind, habe ich nicht verstanden. Das muss mir mal jemand erklären."

Dazu hat Löw am Freitag die Gelegenheit. Er werde seine "grundsätzlichen Überlegungen erläutern", heißt es in der DFB-Einladung für die Pressekonferenz, die bei Kadernominierungen nur im Ausnahmefall abgehalten werden.

Grindel, der im fernen Miami beim Council des Weltverbandes FIFA weilt, wird genau hinhören. Sicherlich auch Müller, Hummels und Boateng, schließlich soll ihnen der Bundestrainer jeweils in nur fünf Minuten erklärt haben, warum er künftig auf ihre Dienste verzichtet. Laut Bild sei Müller wohl für ein Comeback bereit, sollte Löw nicht mehr als Bundestrainer die Verantwortung tragen. Ähnlich werden es sicher auch Hummels und Boateng sehen.

Löw wird am Freitag versuchen wollen, den Blick mehr nach vorne als nach hinten zu richten. Die spielerischen Fortschritte zum Ende des Horror-Jahres 2018 haben den Bundestrainer in seinem späten Neuaufbau bestärkt. So dürfen zum Beispiel Maximilian Eggestein, Niklas Stark und Danny da Costa auf ein Debüt gegen Serbien und die Niederlande hoffen. Von den Weltmeistern von 2014 werden dagegen höchstens noch drei Spieler im Kader stehen: Kapitän Manuel Neuer, Toni Kroos und Matthias Ginter.

(ako/sid)
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