DFB-Team Flanke Kimmich, Tor Wagner — das neue Traumduo

Nürnberg · Das 7:0 der deutschen Nationalmannschaft gegen San Marino hat ein neues Erfolgsrezept aufgezeigt. Im Mittelpunkt stehen dabei eine schon etwas ältere Neu-Entdeckung und ein Youngster, der im Verein zuletzt wenig zum Zug kam.

Pressestimmen zu Deutschland - San Marino:  "Wie ein König auf dem Thron"
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Foto: rtr, RC

Am Ende ging der Verlierer auf eine kleine Ehrenrunde. Ein wenig schüchtern winkten die Herren Alessandro Delle Valle und Juri Biordi ins weite Rund des Nürnberger Frankenstadions. Und weil die deutschen Fans an einem lauen Frühsommerabend ganz gute Laune hatten, spendeten sie den Amateuren aus San Marino ebenfalls freundlichen Beifall. "Wir können ziemlich zufrieden nach Hause fahren", sagte deren Trainer Pierangelo Manzaroli nach der standesgemäßen 0:7-Niederlage im WM-Qualifikationsspiel, "wir haben schließlich gegen den Weltmeister gespielt." Dass der Weltmeister mit einem fröhlich gemischten Team angetreten war, in dem gerade mal zwei Spieler standen, die den Triumph von Rio 2014 zumindest aus der Nähe erlebt hatten (nämlich Julian Draxler und Shkodran Mustafi) wurde nicht eigens erwähnt.

Die Tatsache, dass Bundestrainer Joachim Löw den größten Teil seines Stammpersonals in die Ferien geschickt hat und dafür in diesem Fußballsommer mit dem Confed-Cup in Russland ein "Perspektivteam" aufbietet, ist offenbar im DFB ausdiskutiert. Er teile die "Überlegung vorbehaltlos, Spielern mit einer sehr hohen Belastung Erholung zu gönnen", erklärte Präsident Reinhard Grindel in seinem Wort zum Spieltag. Dann ist es ja gut.

Für sportlichen Gesprächsstoff sollen in den kommenden Wochen andere sorgen. Einem ist es bereits gelungen. Sandro Wagner, der im vergleichsweise hohen Alter von 29 Jahren Löws jüngste Entdeckung ist, wurde durch seine Trefferquote gegen San Marino sogar der eigenen Einschätzung gerecht. In der zurückliegenden Saison hatte der Spieler aus Hoffenheim mehrmals erklärt: "In meinen Augen bin ich seit einiger Zeit der mit Abstand beste deutsche Stürmer." Drei Treffer gegen den Fußballzwerg sind die Arbeitsproben zu diesem von wenig Selbstzweifeln geprägten Bewerbungsschreiben.

Löw lobt Wagner

Auch Löw, der nicht zu Anhängern allzu lautstarker Marktschreier gehört, räumte ein: "Sandro Wagner hat in dieser Woche bei den Spielen in Dänemark und gegen San Marino einen großen Schritt nach vorn gemacht. Er war sehr präsent im Strafraum mit seiner Kopfballstärke und Kraft. Und drei Tore sind für einen Stürmer immer schön, egal gegen welchen Gegner."

Das findet der Torjäger ebenfalls. Es habe sich gut angefühlt, sagte er, "es war ein schöner Abend". Auf die dicke Pauke schlug er diesmal trotzdem nicht. Er erklärte im bescheidenen DFB-Sprech der artigen Jungs: "Ich werde mich weiter anbieten, wenn Jogi Löw ruft, will ich da sein." Und dass der Coach nur dann rufen wird, wenn Wagner mit weiteren Toren seinen selbstgeschaffenen Ruf unterstreicht, ist ihm bewusst. "Wenn ich im Verein keine Tore mehr mache, lädt mich nicht mal San Marino mehr für ein Länderspiel ein", stellte er fest. Sandro Wagner ist "scho' au'", wie sein Bundestrainer sagen würde, ein lustiger Knabe.

Ohne gute Zuarbeiter wäre allerdings selbst der beste Stürmer gar nichts - vielleicht mit Ausnahme von Lionel Messi, aber der hat's ja auch nicht so mit Kopfbällen wie Wagner. Der deutsche Klotz im Strafraum lebte gegen San Marino vor allem von Joshua Kimmich. In Ermangelung von Abwehraufgaben übte sich der Münchner Rechtsverteidiger als Flankengeber. Bei allen Wagner-Toren hatte er den Fuß entscheidend im Spiel, zu den Treffern von Julian Brandt und Amin Younes leistete er ebenfalls die Vorarbeit. Kimmich merkte man deutlich an, dass das zurückliegende Kurzarbeitsjahr bei den Bayern Anreiz für einen sehr engagierten Juni im Nationalteam ist.

In München war er eher außen vor als mittendrin, bei Löw ist er Stammspieler - auch weil es beim DFB seit 2014 keinen Philipp Lahm mehr gibt. Kimmich hat nicht zuletzt in Nürnberg den Anspruch auf eine führende Rolle im Team unterstrichen. Und dabei ist er erst 22 Jahre alt, das vergisst man so leicht.

Julian Draxler, gut ein Jahr älter als Kimmich, ist sogar ein echter Routinier. Er machte sein 30. Länderspiel, und es war sicher eines seiner besseren. Draxler führt dieses Perspektivteam als Kapitän, und er nimmt die Rolle an. "Ich versuche immer, auf dem Platz voranzugehen", sagte er, "und da sehe ich meine Aufgabe. Es ist sicher nicht meine Art, 20-minütige Reden in der Kabine zu halten." Tatsächlich war der Kapitän sehr aktiv und als Fixpunkt der Mannschaft deutlich erkennbar.

Solche Eindrücke wird er beim Confed-Cup gegen ungleich stärkere Gegner bestätigen müssen. Das weiß er selbstverständlich. Und er ist kühl genug, das lockere Spielchen gegen den krassen Außenseiter aus dem Zwergstaat nicht zu wichtig zu nehmen. Bei der Formulierung von Perspektiven für dieses Perspektivteam hält er sich vornehm zurück. "Es ist schwer zu sagen, wo wir stehen und inwiefern wir zum Favoritenkreis beim Confed-Cup zählen", sagte Draxler, "wir wollen auf jeden Fall so weit wie möglich kommen." Das wollen wahrscheinlich alle.

(pet)
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