Bundestrainer hofft auf Wertewandel Nachdenklicher Löw hat sein Konzept überarbeitet

München · Joachim Löw findet lobende Worte für den Bundesliga-Restart. Seine eigenen Pläne mit der Nationalmannschaft sieht der Bundestrainer dagegen über den Haufen geworfen. Weiterhin hofft er auf einen Wertewandel durch die Coronakrise.

 Bundestrainer Joachim Löw.

Bundestrainer Joachim Löw.

Foto: dpa/Tom Weller

Joachim Löw sitzt im schwarzen Rollkragenpullover in einem Freiburger Hotel und plaudert mal entspannt, mal ernst und nachdenklich über diese merkwürdigen Zeiten. Eigentlich sollte der Bundestrainer derzeit im Trainingsanzug auf einem Platz in Seefeld stehen und die deutsche Nationalmannschaft auf die EM vorbereiten. Tatsächlich hat er seine Arbeit nach einer mehrwöchigen Phase der Neu-Orientierung "wieder aufgenommen", aber eben ganz anders als geplant und "so gut es eben die Situation zulässt", wie Löw bei dfb.tv berichtet.

Mit seinem Trainerstab und DFB-Direktor Oliver Bierhoff habe er trotz der EM-Verlegung auf 2021 "die Vorbereitung mal durchgespielt", erzählt Löw in einem siebeneinhalb Minuten langen Video. Dabei sah er seine ursprünglichen Pläne über den Haufen geworfen. "Wir haben unser Konzept überarbeitet, unsere Philosophie, was wollen wir von der Mannschaft im nächsten Jahr, was sind es für Inhalte und Themen, wie wollen wir uns vorbereiten", sagt er. Welche Änderungen Löw konkret vornehmen muss oder will, verrät er nicht.

Seit rund einer Woche sollte seine verjüngte Auswahl ihre Titel-Mission verfolgen - stattdessen muss Löw wohl bis mindestens Spätsommer warten, bis er sie wieder versammeln kann. "Gedanklich" sei er bereits im September, sagt er, wenn gegen Spanien und in der Schweiz die Nations League losgehen soll. Acht Länderspiele sind dieses Jahr noch angedacht, doch die Europäische Fußball-Union (Uefa) hat den Fahrplan noch nicht endgültig abgesegnet.

Löw hat das schon jetzt lange Warten genutzt und "mit vielen Spielern gesprochen - über Corona, über Fußball". Und er hat den Bundesliga-Restart verfolgt. Die deutsche Eliteklasse habe eine "Vorreiterrolle" übernommen, lobt er, und sei mit ihrem Konzept "in Europa führend gewesen". Vom Spielniveau nach der langen Unterbrechung zeigt er sich "positiv überrascht", die Profis ließen sich auch von der ungewohnten Geisterspiel-Atmosphäre nicht beirren: "Man spürt, die Spieler haben wieder Lust auf Wettkämpfe."

Das trifft auch auf "seine" Spieler zu. Rio-Weltmeister Bastian Schweinsteiger bescheinigt seinen Erben in der FAS "die Qualität, bei der EM weit zu kommen. Und die Verschiebung ist nicht schlecht für uns. Wir haben viele junge Spieler, die ein Jahr mehr bekommen, um sich weiterzuentwickeln." Außerdem könnten sich die lange Verletzten Niklas Süle und Leroy Sane "durch Spielpraxis und Wettkämpfe auf ein anderes Niveau bringen", sagt Löw.

Vom Titel will er aktuell aber nicht sprechen. Stattdessen äußert der 60-Jährige wie bei seinem vielbeachteten Auftritt im März den Wunsch, Corona möge das Gute im Menschen zum Vorschein bringen. "Ich habe die Hoffnung, dass Werte wie Rücksichtnahme, Respekt und sich Kümmern um den Nächsten bleiben. Dass es nicht immer nur höher, schneller, noch besser sein muss mit dieser Geschwindigkeit."

(ako/sid)
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