Analyse nach Grindel-Abgang DFB braucht eine Strukturreform

Frankfurt/M · Der Deutsche Fußballbund braucht mehr als nur einen neuen Präsidenten. Grindels Rücktritt ist für den Verband die Chance, sich eine Geschäftsführung und einen Aufsichtsrat zu geben.

Kandidaten für das Amt als DFB-Präsident: Rudi Völler, Philipp Lahm, Matthias Sammer
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Diese Kandidaten könnten DFB-Präsident werden

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Wenn beim Bundestag des Deutschen Fußball-Bundes das Präsidium vollständig angetreten ist, dann wird es eng auf der Bühne. 17 Mitglieder hat das höchste Gremium des größten Sportfachverbands der Welt. Im Präsidium sitzen der Präsident, seine Stellvertreter, Vertreter der Landesverbände, der Amateure, der Nationalmannschaften, der Deutschen Fußball Liga und immerhin eine Vertreterin des Frauenfußballs. Das Gremium „stellt als ausführendes Organ die Exekutive dar und ist zuständig für die Erledigung des laufenden Geschäfts“, wie es in der Satzung heißt. Es ist eine Kammer der Ehrenamtler, nur der Gesandte der Nationalmannschaft, DFB-Direktor Oliver Bierhoff, und Generalsekretär Friedrich Curtius sind hauptamtliche Angestellte des Verbands.

Vielleicht liegt hier ein Grund für das epochale Scheitern des Präsidenten Reinhard Grindel. Er erledigte einen Vollzeitjob gegen eine vergleichsweise bescheidene Aufwandsentschädigung und wurde schon dadurch anfällig für allerlei Gunstbezeugungen – sei es materieller Art wie durch die ominöse Luxusuhr, die ihn endgültig zu Fall brachte, oder in Form öffentlicher Anerkennung durch die Medien, an deren Kameras Grindel erst in dieser Woche mal vorbeilief.

Der tiefe Fall des Präsidenten ist für den DFB deshalb eine große Chance, seine Strukturen zu überarbeiten. Das wird immer wieder versprochen, zurzeit von den beiden nun geschäftsführenden Präsidenten Reinhard Rauball und Rainer Koch. „Amateur- und Profivertreter sind gefordert, Weichen für die Zukunft zu stellen, den Weg für einen personellen, aber auch strukturellen Neuanfang freizumachen“, sagt Rauball. „Wir werden im September einen neuen Präsidenten wählen. Den werden wir ausgucken, wenn wir wissen, wie die neuen Strukturen aussehen“, erklärt Koch.

Grindel-Aus: Internationale Pressestimmen
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„Ende mit Schrecken für deutschen Fußballchef Grindel“

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Längst überfällig ist eine Reform der Spitzengremien des Verbands, dessen Geschäftsbericht 2017 eine Bilanzsumme von 323 Millionen Euro ausweist. Nachgedacht wird über eine professionelle Geschäftsführung und die Einrichtung eines Aufsichtsrats, dem dann der Präsident vorsteht.

Das würde den Präsidenten aus dem operativen Geschäft ziehen, er könnte Repräsentant des DFB sein und auf diese Weise dem gesellschaftspolitischen Anspruch des Verbands gerecht werden, von dem bei Bundestagsreden immer so nachdrücklich geschwärmt wird. Dieses Modell hat Koch ganz sicher vor Augen. Bevor also im Verband womöglich eine Präsidentenfindungskommission nach dem Vorbild der unsäglichen Trainerfindungskommission 2004 eingesetzt wird, muss die Strukturänderung zumindest vorbesprochen werden. Das ist kompliziert genug.

Wahrscheinlich noch komplizierter ist dann die Suche nach einem Kandidaten oder einer Kandidatin, auf den oder die sich alle einigen können. Denn der DFB gliedert sich nicht nur in zahlreiche Gremien und Unterverbände, er muss auch den natürlichen Interessenkonflikt zwischen Profilager und Amateurlager ausgleichen. Die Amateure sehen ihren Einfluss seit Jahren im Sinkflug. Sie beklagen beispielsweise den Terminkalender der Bundesliga (organisiert von der DFB-Tochter DFL), der sich allein an der Vermarktbarkeit der Spiele orientiert und den Anstoßzeiten der Amateure keinen Schutz mehr garantiert.

Dafür haben die Amateurvertreter die klare Mehrheit beim Bundestag. Ohne ihre Stimmen wird niemand Präsident. Grindel sammelte im Amateurlager Unterstützer, als Wolfgang Niersbach vor drei Jahren wegen der Affäre um die Vergabe der WM 2006 zurücktrat. Niersbach war ein Mann des Profifußballs, aber er verfügte im Unterschied zu Grindel über eine lange Karriere in DFB-Diensten (als Pressechef und Generalsekretär). Den Rest erledigte Niersbach mit seinem natürlichen Charme. Grindel brachte sein politisches Können ein, und er profitierte davon, dass es gerade keinen anderen geeigneten Kandidaten gab.

 Der DFB-Interimspräsident und der Pokal: Rainer Koch in Augsburg.

Der DFB-Interimspräsident und der Pokal: Rainer Koch in Augsburg.

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In einer überarbeiteten Struktur müsste der Präsident als Vorsitzender eines Aufsichtsrats für beide Lager tragbar sein – als Repräsentant und Moderator widerstrebender Interessen. Dafür kommen nur Personen außerhalb des aktuellen inneren Machtzirkels in Frage. Deshalb verspricht Koch, der Verband werde außerhalb des Präsidiums suchen. Und dann braucht der DFB ja noch eine Geschäftsführung. Aber das ist ein anderes Thema.

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