MSV Und wir sangen: "Schlussphasentrauma!"

Um 21.03 Uhr kam die SMS aus der Nordkurve: "Verdienter Sieg! Für solche Tage ist man Fan, oder?" Wohl wahr. Besser hätte der bedauernswerte Borussia-Anhänger diesen Abend beim 1:0-Pokaltriumph der Zebras in Mönchengladbach nicht auf den Punkt bringen können. Zwei Zebra-Fans aus der Redaktion schildern ihre Eindrücke.

DFB-Pokal 09/10: Gladbach - MSV Duisburg
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Am Boden Wer als Zebra-Fan am Dienstagabend zum Pokalspiel nach Mönchengladbach anreiste, sprühte nicht gerade vor Optimismus. Zwei hohe Niederlagen in den vorangegangen zwei Spielen, eine MSV-Elf, bei der erschreckend wenig zusammenlief und Top-Stürmer Sandro Wagner verletzt — kaum einer aus der Zebraherde konnte ernsthaft mit einem Sieg im Borussia-Park rechnen. Aber: Die Karten waren gekauft und kneifen — das tut man nicht.

Trotz Nur der Gedanke an den Hochmut mancher Gladbacher weckt Gegenwehr bei Fans und wohl auch Spielern. "Nicht gerade ein attraktiver Gegner, aber dafür eine Runde weiter", hatten Borussen-Anhänger vorab im Gladbach-TV getönt, "Wir überrollen Euch", stichelten die Kollegen in der Redaktion.

Auf den Rängen Eine Ecke auf der Südgeraden ist den Zebra-Fans zugewiesen. 5000 sollen es gewesen sein. Die Zebras spielen zur Überraschung vieler munter mit. Das hebt die Stimmung. Nach anfänglicher Zurückhaltung machen wir Lärm für Zehntausend. "Auf geht's Duisburger Juuungs." Die Melodie weckt Erinnerungen an glorreiche Auswärtserfolge in Köln oder Dortmund. Euphorie blitzt auf.

Das Spiel Gladbach ist anfangs klar überlegen. Der Duisburger Torhüter Tom Starke ("Nationelf, oder?") hält uns im Spiel. Mitte der ersten Halbzeit verlieren die Borussen den Faden, Duisburg bekommt Oberwassser. Immer wieder dynamische Vorstöße. Die jungen Wilden Ben Hatira, Caiuby und Ede machen Alarm. Aber die Offensivaktionen sind nicht zwingend genug. Auf den Rängen pendelt die Stimmung zwischen Euphorie und Skepsis: So nahe kommt man dem Führungstreffer nicht mehr. Hoffentlich werden wir dafür nicht bestraft.

Das Tor Zweite Halbzeit. Zwei Riesenchancen von Ben Hatira. Warum macht er die nicht rein? Gladbach fängt sich, dominiert das Spiel. Da unten, direkt vor dem Fan-Block, schwimmt die Abwehr der Zebras. Dicke Chancen für den eingewechselten Neuville. Aber die Jungs wehren sich. Überraschend stellt Gladbach ab der 80. Minute das Fußballspielen ein. Plötzlich sind wieder Räume da. Ben Hatira rennt für zwei, feuert zwei gute Schüsse ab. Der MSV ist wieder da. Neururer wechselt kurz vor Schluss das letzte Aufgebot ein. 90. Minute. Alles stellt sich auf Verlängerung ein. Letzter Angriff. Grlic — Andersen — Larsen — Andersen — unglaublich - das Ding ist drin.

Der Jubel Der Block explodiert. Alles springt, Körper türmen sich aufeinander, wildfremde Menschen liegen sich in den Armen. Zwei Frauen weinen, fast geht eine Brille kaputt, Jaaa, Jaaa, Jaaa. Sekunden später der Abpfiff. Das grandiose Tor von dem Neuzugang, den in Duisburg eigentlich noch gar keiner kennt, war die letzte Aktion. Die Mannschaft hüpft ausgelassen vor der Fankurve herum, Sören Larsen wirft sein Trikot in die Menge, tanzt so eckig wie er spielt. Es ist so schön, wenn zuvor niemand auch nur einen Pfifferling darauf gewettet hat.

Verdienter Sieg? Beim Verlassen des Stadions singt die Menge immer noch Meidericher Hymnen. Wir lassen die Szenen des Spiels, das Auf und Ab Revue passieren. "Verdient oder glücklich?", fragt der Kollege. Wir einigen uns auf verdient, aber nur wegen der Außenseiterrolle. Später folgt die Bestätigung per SMS aus der Nordkurve. Die Frage, warum Gladbach zum Schluss so gewackelt hat, steht im Raum. Unser Befund: Die Borussia hat nach den spät aus der Hand gegebenen Spielen gegen Bochum und Hoffenheim Angst vor den letzten Minuten. "Schlussphasentrauma" - zur Melodie von Guantanamera singen wir es auf dem Heimweg immer wieder. Etwas Besseres hätte den Zebras nicht passieren können.

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