MSV Duisburg Trainer Baumann setzt auf sein Bauchgefühl

Duisburg · Zehn Tage Zeit bleiben Karsten Baumann bis zum ersten Spiel gegen Heidenheim, um sein neues Team kennenzulernen. "Die erste Elf wird zunächst sehr subjektiv gefärbt sein", sagt der Trainer des MSV Duisburg. Jovanovic und Knoll fehlen dabei.

Das Stichwort "Perücke" reicht. "Ob mir das unangenehm ist? Nein", sagt Karsten Baumann. "Ich finde die Aktion nach wie vor super", entgegnet Duisburgs neuer Trainer.

Der Mann hat eben Humor. Als Coach des VfL Osnabrück brachte es Baumann in einem Testspiel seiner Mannschaft fertig, mit Perücke und Bart verkleidet im Team des Gegners aufzulaufen. "Ich wollte sehen, wie sich die Jungs in meiner Abwesenheit verhalten", erklärt der 43-Jährige, der sich 20 Minuten vor dem Spielende sogar einwechseln ließ. Der Test war erfolgreich. "Einige wissen bis heute nicht, dass ich dabei war."

Für solche Scherze bleibt beim MSV Duisburg momentan keine Zeit - in elf Tagen muss eine schlagkräftige Drittliga-Mannschaft stehen. Allerdings ist Baumann überzeugt: "Nur mit Spaß an der Arbeit kann man die besten Ergebnisse erzielen. Ich finde es ungeheuer reizvoll, in Duisburg etwas zu entwickeln. Das wird gewiss kein Zuckerschlecken, aber ich weiß, worauf ich mich eingelassen habe."

Der gebürtige Oldenburger sucht beim MSV bewusst die Herausforderung, die zugleich eine Chance für den Coach ist, nach Stationen bei Rot-Weiß Erfurt (2008 bis 2009), beim VfL Osnabrück (2009 bis 2011) und bei Erzgebirge Aue (bis Mai 2013) auch im Fußball-Ballungsraum NRW mit guter Arbeit auf sich aufmerksam zu machen. "Der MSV hat noch immer Gewicht. Das ist ein Traditionsklub und der Verein mit dem größten Namen, unter dem ich bisher arbeiten durfte." Die Nähe zu seinem Wohnort Bergheim, wo Baumann mit seiner Frau Ute seit 1998 lebt, hat die Entscheidung zudem beschleunigt.

Seit seiner Zeit als Profi in Köln ist das Rheinland Baumanns Zuhause. "Als Spieler hatte ich beim 1. FC Köln meine schönste Zeit. Ich war jung, hatte als Abiturient schon ein Auto und eine Wohnung und fand es toll, in dieser Stadt Fußball zu spielen. Die Menschen sind fußballverrückt", weiß der Ex-Profi, der auch für Borussia Dortmund und Rot-Weiß Oberhausen spielte. "Ich bin froh, wieder zuhause zu sein und freue mich, zum ersten Mal in all den Jahren mit meiner Frau auch wirklich zusammen zu wohnen."

Das Spieler-Sein emfindet Baumann nach wie vor als "geilsten Job, den es gibt. Nun habe ich den zweitbesten." Von welchem Trainer er sich etwas abgeschaut hat? "Ich kann von vielen Trainern lernen. Wenn ich drei nennen müsste, dann Erich Rutemöller, weil ich bewundere, wie akribisch er mit jungen Spielern arbeitet. Morten Olson für sein taktisches Verständnis und Peter Neururer, weil er überragende Ansprachen hält. Er schafft es vor einer Partie gegen den FC Bayern, jedem glaubhaft zu vermitteln, dass er besser ist als sein Gegenüber."

Wann Baumann in Duisburg erstmals seinen kompletten Kader zusammen hat, vermag er selbst nicht zu sagen. "Bis Winter wird sich das Team sicher stetig verändern", prognostiziert der Coach, der sich mit dem VfL Osnabrück vor vier Jahren in einer ähnlichen Situation befand. "Nach dem Abstieg standen nur vier Profis unter Vertrag. Aber es hat auch Vorteile, viele neue Spieler dabei zu haben. Jeder startet mit der gleichen Ausgangsposition."

Eine Idee, wie der MSV in Zukunft spielen soll, hat Baumann natürlich. Aber bis dahin ist es noch weit. Gestern trainierten mit Tino Schulze (20, Verteidiger, Germania Halberstadt), Ivica Guberac (25, Mittelfeld, vom slowenischen Erstligisten FC Koper) und Tobias Feisthammel (25, Innenverteidiger, SC Paderborn) drei weitere Testspieler mit.

Feisthammel, der bisher 76 Zweitliga-Partien (fünf Tore) und 46 Drittliga-Spiele (zwei Tore) bestritt und beim SC Paderborn künftig wohl keine Perspektive besitzt, ist ein Kandidat für die Abwehrkette. "Mangels Vorbereitungszeit wird die erste Elf zunächst sehr subjektiv gefärbt sein", sagt Baumann. "Eine Mischung aus einer vorgefertigten Meinung, die man über Spieler hat und dem hoffentlich richtigen Bauchgefühl. Es liegt dann an den Jungs mich zu überzeugen, dass andere auf die Bank gehören."

Ranisav Jovanovic wird an diesem Projekt nicht mehr teilhaben. Ebenso wie Marvin Knoll hat der Stürmer beim SV Sandhausen unterschrieben. "Rani hat uns stets offen über seine Möglichkeiten informiert, wir akzeptieren, dass er die Herausforderung in der 2. Liga sucht", zeigte Sportdirektor Ivo Grlic Verständnis.

Derzeit plant der MSV ein Kurztrainingslager von Freitag bis Sonntag — möglichst mit einem oder zwei Testspielen. Ort und Gegner sind noch unklar. Dort wird Baumann womöglich den Kapitän und Mannschaftsrat selbst bestimmen. "Das handhabe ich sonst auch anders, aber die Jungs haben gar nicht die Zeit, sich zu beschnuppern ."

Nach der Rückkehr beginnt dann die Vorbereitung auf das erste Punktspiel. "In zehn Tagen ist das Wahnsinn, aber unsere Gegner wissen auch nicht, was sie mit uns erwartet. Uns zu scouten wird für Heidenheim schwer", sagt Baumann, der dann auf die Unterstützung der Anhänger hofft. "Zum Ende des Spiels wird der Wille entscheiden. Ich spüre, dass die Fans hinter uns stehen und glaube, dass sie ein gutes Gespür dafür haben werden, wann die Jungs sie brauchen."

(RP)
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