Msv Duisburg "Ich hatte Angst, erdrückt zu werden"

Duisburg · Der 5. Mai 1963 ist Duisburger Sportgeschichte. Damals löste der Meidericher SV mit einem Sieg gegen Hamborn 07 das Ticket zur Fußball-Bundesliga. Am kommenden Sonntag jährt sich das Ereignis zum 50. Mal.

 Vor 15 000 Zuschauern, die am 5. Mai 1963 an die Westender Straße gekommen waren, um das Derby zwischen dem MSV und Hamborn 07 zu sehen, ging es hoch her. In dieser Szene lieferten sich MSV-Spieler Gustav Walenciak (links) und Rudolf Lichtenberger von Hamborn 07 einen Zweikampf.

Vor 15 000 Zuschauern, die am 5. Mai 1963 an die Westender Straße gekommen waren, um das Derby zwischen dem MSV und Hamborn 07 zu sehen, ging es hoch her. In dieser Szene lieferten sich MSV-Spieler Gustav Walenciak (links) und Rudolf Lichtenberger von Hamborn 07 einen Zweikampf.

Foto: horstmüller gmbh

Basiert die Aufnahme des MSV in die Fußball-Bundesliga auf einer Schwalbe? Rolf Schafstall glaubt das bis heute. Sind die Meidericher Fußballer wegen persönlichem Knatsch zwischen Kölnern und Aachenern bevorzugt worden?

Im Dreiländereck soll es Menschen geben, die das immer noch behaupten. Zu klären werden diese historischen Streitfragen des deutschen Fußballs nicht mehr sein. Sicher ist aber, dass die "Zebras" vor 50 Jahren in einem Herzschlagspiel 2:1 gegen Hamborn 07 gewannen und tags darauf in die neue Bundesliga aufgenommen wurden. Der 5. Mai 1963 ist Duisburger Sportgeschichte. An jenem Nachmittag vor 50 Jahren fand an der Westender Straße das Lokalderby zwischen dem Meidericher SV und Hamborn 07 statt. Weit über 15 000 Zuschauer säumten die Ränge. Nicht nur Meiderich, sondern ganz Duisburg war vom Fußball-Fieber befallen. Denn der MSV legte gerade einen echten Lauf hin und war noch eine Etappe davon entfernt, einen der begehrten Plätze für die neu zu gründende Bundesliga zu erhalten.

Voraussetzung war am vorletzten Spieltag der Oberliga-West allerdings ein Sieg über den Lokalrivalen aus Hamborn. Wenige Tage zuvor, am 1. Mai 1963, hatte sich der MSV durch einen 3:2-Erfolg gegen Viktoria Köln in Stellung gebracht. Ein Doppelpack von Dieter Danzberg drehte den 1:2-Rückstand der Meidericher. "Zebras" gegen "Löwen", ein Duell, das es immer schon in sich hatte. In der 49. Minute ging das MSV-Team von Trainer Hennes "Fischken" Multhaup durch Heinz Versteeg in Führung. In der 73. Minute gelang Hamborns Hafner aber der Ausgleich.

Sollten alle Bundesliga-Träume an Hamborn scheitern? In diesem Moment resignierte selbst der Coach. "Wir waren total überlegen, schafften es aber nicht, unsere vielen Chancen zu verwandeln", erinnerte sich Multhaup später. Überdies verweigerte Schiedsrichter Wolf aus Essen drei MSV-Treffern aufgrund vermeintlicher Abseitsstellungen die Anerkennung. Auch in der 90. Minute war Wolf den "Zebras" wenig wohl gesonnen. Einen Zweikampf des Hamborner Verteidigers und späteren MSV-Trainers Rolf Schafstall gegen "Eia" Krämer, den viele im Strafraum gesehen haben wollten, wertete Wolf zwar als Foul, verlegte den Tatort aber hinter die Linie und entschied auf Freistoß. Eine Fehlentscheidung, wie Schafstall noch viele Jahre später als Rentner erklärte: "Ich hatte hundertprozentig klar den Ball getroffen. Dann fiel Krämer über meine Beine. Das war kein Foul, auch wenn es andere Meinungen gibt. Die Meidericher wollten das natürlich nicht hören, aber ich bin mir absolut sicher, dass ich Krämer nicht gefoult habe."

Die folgende Szene machte aus "Pitter" Danzberg den "Held von Meiderich", der seine persönlichen Erinnerungen einst für die Vereinsgeschichte aufzeichnen ließ: "Eia Krämer führte den Freistoß aus. Ich stand im Strafraum, der hohe Ball kam direkt vor das Tor. Irgendwie lag das Leder plötzlich auf meinem Fuß. Ich zog ab und der Ball war im Tor. Meiderich führte 2:1, es wurde nicht mehr angepfiffen, weil die Zuschauer das Feld stürmten. Ehrlich, ich hatte Angst, erdrückt zu werden."

Mit diesem Sieg schob sich der MSV an Alemannia Aachen in der Tabelle vorbei auf den vierten Platz. Einen Tag später schickte der DFB das Telegramm mit der Bundesliga-Aufnahme-Bestätigung nach Duisburg. Aachen fühlte sich benachteiligt, protestierte jedoch erfolglos. Manche meinten, weil der Alemannia die Lobby fehlte. Kölns damaliger Präsident Franz Kremer, der auch im Liga-Ausschuss saß, wurde Wochen zuvor am Aachener Tivoli von den Zuschauerrängen beleidigt und mit Bier überschüttet. Derart verärgert, soll er dem MSV-Präsidenten Dr. Walther Schmidt versprochen haben, dass er sich im Zweifelsfall für die Zebras — und somit zum Nachteil der Aachener — einsetzen würde, wenn dies sportlich zu vertreten sei. In Meiderich wurde das Pils eben getrunken und nicht damit gematscht. Bestätigt wurde die Fassung weder von Kremer noch von Schmidt, wie überhaupt der DFB die Aufnahme-Kriterien für die Bundesliga nicht wirklich offen legte. Offiziell hieß es, dass der MSV aufgrund der sportlichen Entwicklung in den Vorjahren stärker als Aachen einzuschätzen sei.

Der MSV kletterte indes am letzten Spieltag der Oberliga-Saison mit einem 2:1-Sieg in Münster noch auf den dritten Tabellenplatz — und unterstrich seine Bundesliga-Tauglichkeit mit diesem Erfolg ein weiteres Mal.

(RP/ac)
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