Jahresrückblick 2013 29. Mai - ein schwarzer Tag der MSV-Historie

Duisburg · Das Jahr 2014 wird für den MSV Duisburg genauso beginnen wie das vorangegangene: Mit dem Trainingsauftakt am 3. Januar. Und es gibt noch eine Parallele zwischen den beiden Jahren.

MSV - Burghausen: Einzelkritik
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"Der MSV kann mehr und muss nicht so weit unten stehen", hieß es Anfang 2013. Der Mann, der das sagte, steht allerdings sinnbildlich für die großen Veränderungen, die die Meidericher seit eben jenem Januartag 2013 durchlebten: Denn es war Sören Brandy, der damals über einen Zweitligisten sprach, der nach sechs Siegen, drei Unentschieden und zehn Niederlagen nur auf Rang 14 stand. Inzwischen ist Brandy, wie das Gros der damaligen Spieler, kein "Zebra" mehr und der MSV nicht mehr in der Zweiten, sondern in der Dritten Liga.

Das hatte aber weniger mit der sportlichen Situation zu tun, denn Brandy und Co. schafften Anfang Mai den Klassenerhalt. Fehler wurden vorher auf anderer Ebene gemacht und mit der Verweigerung der Zweitliga-Lizenz durch die Deutsche Fußball Liga (DFL) später hart bestraft.

Am Rande der Existenz

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Schon Mitte Januar 2013 war klar, dass der MSV wirtschaftlich am Rande der Existenz wandelte. Nur mit einem Kraftakt gelang es, kurzfristig fünf Millionen Euro aufzubringen, um einen drohenden Punktabzug durch den Deutschen Fußball-Bund (DFB) zu vermeiden. Im Winter-Trainingslager im türkischen Antalya sagte der damalige Geschäftsführer Roland Kentsch, der MSV habe alle Auflagen erfüllt und warte auf einen positiven Bescheid des DFB. Den gab es zwar auch, allerdings lediglich für den Rest der laufenden Zweitliga-Saison.

Dass es die vorerst letzte für den MSV sein würde, wusste da noch niemand. Die wirtschaftlichen Probleme — ein Schuldenberg im zweistelligen Millionenbereich und die kaum zu zahlende Stadionmiete von rund fünf Millionen Euro pro Jahr — waren zwar offenkundig, die Verantwortlichen meinten aber, diese Hürden nehmen zu können. Sie sollten sich irren.

Am 18. Februar wird Udo Kirmse Nachfolger des Vorstandsvorsitzenden Andreas Rüttgers, der zurückgetreten war, knapp einen Monat später, exakt am 14. März, reicht der MSV die Lizenzunterlagen für die neue Zweitliga-Saison ein. Geschäftsführer Kentsch erwartet da schon Auflagen seitens des DFB und der DFL, gab sich aber zuversichtlich, diese erfüllen zu können. Am 17. April gibt es Post aus Frankfurt: Der MSV erhält die Lizenz unter Bedingungen, zu denen er bis zum 23. Mai eine Erklärung abgegeben muss, und unter Auflagen, die er im Laufe der Saison abarbeiten kann. Dazu gehört die Reduzierung der Stadionmiete. Kentsch sieht darin einen "harten, steinigen Weg" und eine "große Herausforderung".

Sportlich läuft es gut

Dieser waren die Verantwortlichen offensichtlich nicht gewachsen, wie sich zeigen sollte. Sportlich läuft es zu diesem Zeitpunkt unter Trainer Kosta Runjaic gut, der MSV kämpft sich aus dem Tabellenkeller. Zudem verlängern in Sportdirektor Ivica Grlic und Mittelfeldspieler Kevin Wolze zwei namhafte Akteure ihre Verträge vorzeitig um zwei Jahre. Doch ständig hängt die wirtschaftliche Situation als Damoklesschwert über den Meiderichern.

Am 6. Mai sagt Kentsch zum Thema "Bedingungen des DFB zur Lizenzerteilung": "Die Gespräche und Verhandlungen sind auf einem guten Weg." Zehn Tage später hört sich das schon nicht mehr so positiv an: "Uns fehlen 2,5 bis drei Millionen Euro", sagt Kentsch, der hinzufügt: "Ich kann nicht versprechen, dass es gelingt, die geforderten Bedingungen rechtzeitig und vollständig zu erfüllen. Gelingt es uns nicht, wäre eine Insolvenz unausweichlich." Die ginge einher mit dem Zwangsabstieg und eventuell einem Neuanfang in der Landesliga. Es sieht düster aus.

"Zehn Minuten vor Toreschluss"

Am 23. Mai mailt Kentsch die Lizenzunterlagen "zehn Minuten vor Toreschluss", wie er sagt, an die DFL. Er glaubt, die Bedingungen seien erfüllt, da Ex-Boss Walter Hellmich dem Klub einmal mehr mit einem "satten sechsstelligen Betrag" geholfen hat und zudem ein Zehn-Jahres-Vertrag mit dem Rechtvermarkter Sportfive abgeschlossen wurde. Nun beginnt das bange Warten auf die Entscheidung der DFL.

Diese flattert am Mittwoch, 29. Mai ins Haus — und birgt einen Paukenschlag: Die DFL verweigert dem MSV die Lizenz für die Zweite Liga, da er die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Klubs nicht gegeben sieht. Es ist eine einstimmige Entscheidung des Gremiums, dem Vertreter aus Erster und Zweiter Liga angehören. Das zeigt, dass die DFL sich sehr sicher ist.

Beim MSV fallen sie derweil an diesem 29. Mai aus allen Wolken. "Es fehlen einem die Worte. Diese Entscheidung kam aus heiterem Himmel", sagt Grlic. Hellmich, der betont, er hätte noch mehr Geld gegeben, wenn er gewusst hätte, dass noch etwas fehlt, meint: "Die Totengräber von innen und außen haben ganze Arbeit geleistet." Um 19 Uhr wird es an der Meidericher Arena ungemütlich: Hunderte Fans versammeln sich dort und lassen ihrem Frust freien Lauf: Fahnen werden angezündet, Scheiben eingeworfen, ein Sturm in die Arena versucht. Eine Woche später zeigen die Fans ein schöneres Gesicht: Zu einem Solidaritätsmarsch versammeln sich 5000 Anhänger, die "ewige Treue" schwören.

Zwangsabstieg in Liga fünf droht

Dem MSV droht derweil erneut der Zwangsabstieg in die vierte oder sogar fünfte Liga. Das erste Rechtsmittel, eine Klage gegen die DFL-Entscheidung beim Ständigen Schiedsgericht, schöpft der Klub am 11. Juni aus. Zwei Tage später wird Geschäftsführer Kentsch fristlos gekündigt, Präsident Kirmse sagt: "Wir hatten sehr tiefe Vertrauensbrüche." Der Verein wird Kentsch später noch auf Schadenersatz verklagen. Auch der Aufsichtsratsvorsitzende Gerd Görtz verliert sein Amt, er wird später von Jürgen Marbach beerbt.

Ohne zu wissen, in welcher Liga es — wenn überhaupt — weitergeht, bereitet sich das Team unter Runjaic seit dem 12. Juni auf die Saison vor. Am 18. Juni gewinnt der MSV ein Testspiel gegen den KFC Uerdingen — das ist für die meisten Akteure das Abschiedsspiel. Denn einen Tag später ist der Zwangsabstieg besiegelt: Um 15.45 Uhr verkündet der Vorsitzende des Ständigen Schiedsgerichts, Professor Udo Steiner, im Frankfurter Nobelhotel "Hessischer Hof" die Bestätigung der DFL-Entscheidung: "Leider muss ich die sehr, sehr traurige Nachricht überbringen, dass das Schiedsgericht die Klage des MSV abgewiesen hat. (...) Dem MSV ist es nicht gelungen (...), die Liquidität nachzuweisen." Runjaic meint: "Das Horror-Szenario ist eingetreten. Wir fühlen uns leer."

In den folgenden Tagen und Wochen kämpft der Verein darum, die Lizenz für die Dritte Liga zu erhalten — der Antrag wurde fristgerecht gestellt. Derweil verlassen immer mehr Spieler den Verein, nur acht bleiben: Wolze, Branimir Bajic, Tanju Öztürk, Marcel Lenz, Maurice Schumacher und Maximilian Güll sowie die beiden Akteure, die im Laufe der Saison zum "fit halten" nach Duisburg gekommen waren: Michael Ratajczak und Sascha Dum. Am 30. Juni laufen alle Kontrakte, inklusive die der Trainer, aus. Runjaic verlässt den Klub am 1. Juli, da immer noch nicht klar ist, in welcher Liga der MSV antreten wird.

1000 Fans kommen zum Training

Exakt eine Woche später, am 8. Juli, gibt es um 13.55 Uhr den positiven Bescheid: Der MSV bleibt im Profigeschäft, ist nunmehr Drittligist. Am selben Tag wird Karsten Baumann als neuer Trainer verpflichtet, tags darauf bittet er zum ersten Training. Es ist noch nur eine Rumpftruppe beisammen, doch es kommen mehr als 1000 Fans zu dieser Übungseinheit. "Wahnsinn", sagt Baumann.

Nach nur zwölf Tagen Vorbereitung startet der MSV in die Liga, beim 0:1 gegen den Top-Favoriten Heidenheim fehlt ein wenig das Glück. In der kompletten Hinrunde, die von einer unglaublichen Zuschauerresonanz (13 873 Besucher im Schnitt bei den Heimspielen, damit der bestbesuchte Klub der Liga) geprägt ist, wechseln sich gute mit weniger guten Spielen ab, der MSV tritt im Tabellenmittelfeld einer sehr engen Liga auf der Stelle. Sören Brandys Zitat fast ein Jahr zuvor hat damit immer noch Gültigkeit.

Unverändert schwierig ist auch die wirtschaftliche Situation. Dem MSV sind die Schulden im zweistelligen Millionenbereich — inklusive ausstehender Miete für das Stadion, auf dem ebenfalls ein Schuldenberg liegt — nur bis 30. Juni 2014 gestundet. Sollte der Klub diese Probleme nicht in den Griff bekommen, droht ihm auch im Jahr 2014 wieder einmal ein Wettlauf gegen die Zeit und um Spielbetriebslizenzen.

Alle unsere Texte zum Jahresrückblick finden Sie nach und nach hier.

(RP)
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