Respektperson eilt Ruf als Heilbringer voraus Matthias Sammer soll BVB-Misere beheben

Dortmund (dpa). Der Star ist der Trainer. Bereits vor seinem ersten Punktspiel am 11. August als Chefcoach geht Matthias Sammer der Ruf als Heilsbringer von Borussia Dortmund voraus. Für die Fans ist er die Dortmunder Antwort auf Franz Beckenbauer, für die Vereinsspitze eine glaubwürdige Respektsperson, die den selbstherrlichen Profis den rechten Weg weist. Selten zuvor wurden mit dem Debüt eines Fußball-Lehrers so große Erwartungen verknüpft. Die positive Resonanz ist dem ehemaligen BVB-Abwehrchef nicht geheuer: "Für Vorschusslorbeeren gibt es keine Punkte. Außerdem steht der Name Sammer nicht für Revolution."

Gleichwohl überraschte der Rotschopf die Mannschaft nach seinem Amtsantritt am 3. Juli mit unliebsamen Änderungen. Ein Lauftrainingslager Anfang Juli in Österreich sorgte bei einigen konditionsschwachen Fußball-Millionären für Kurzatmigkeit. Auf dem Trainingsgelände und an Spieltagen herrscht Handy-Verbot, Cola- und Schokoladen-Konsum ist verpönt. Um der in Dortmund seit Jahren grassierenden Grüppchenbildung Herr zu werden, legt Sammer Wert auf eine stetig wechselnde Sitzordnung beim Essen. "Das Arbeitsklima hat sich wesentlich verändert", lobte Mittelfeldspieler Miroslav Stevic die Maßnahmen des Trainer-Neulings.

Der Ruf als Musterprofi ohne Star-Allüren, den sich Sammer in seiner erfolgreichen Karriere erarbeitete, erleichtert den Umgang mit den Spielern ungemein. Dass sich der Coach von den Spielern duzen lässt, schadet seiner Autorität laut BVB-Rückkehrer Jörg Heinrich nicht: "Wenn er in die Kabine kommt, ist sofort Respekt da. Das ist ungewöhnlich." Nicht nur die sportliche Talfahrt, sondern vor allem die zunehmende Entfremdung zwischen Team und Tribüne ist Sammer ein Dorn im Auge: "Ich will eine Mannschaft formen, in der Leben herrscht. Ein Team, mit dem sich unsere Fans wieder identifizieren können."

Mit solchen Zielsetzungen spricht er dem zuletzt leidgeplagten Vereinspräsidenten Gerd Niebaum aus dem Herzen. Zwar redet der Jurist seit Jahren von Kontinuität in der Trainerfrage, musste sich aber seit dem Ende der Hitzfeld-Ära mit Nevio Scala, Michael Skibbe, Bernd Krauss und Udo Lattek binnen drei Jahren von vier Trainern trennen. Dieser hohen Fluktuation soll der mit 32 Jahren jüngste Bundesliga- Coach ein Ende bereiten. "Alles andere als eine langfristige Zusammenarbeit wäre nach den Erfahrungen der vergangenen Saison fatal", sagte Niebaum dem "Kicker".

Erste Auftritte der kriselnden Borussia deuten jedoch an, wie dornenreich Sammers Weg in Dortmund zu werden droht. Gehandicapt durch die Verletzungen zahlreicher Leistungsträger, blieben überzeugende Auftritte in den bisherigen Testspielen aus. Bei einem Turnier am Vierwaldstätter See rettete sich der Weltpokalsieger von 1997 im Duell mit dem Schweizer Zweitligisten SC Kriens am Montag erst nach Elfmeterschießen ins Finale. Für den verärgerten Trainer Grund genug, seinem Team erstmals die Leviten zu lesen: "Nach dem Wechsel hat jeder Rhythmus gefehlt. Das ist auch eine Frage der Disziplin, sich aufzubäumen, selbst wenn man müde ist."

Einem wie Sammer nimmt man solche Sprüche ab. In 178 Bundesliga- Spielen und 51 Einsätzen für die DFB-Auswahl hat er bis zu seiner folgenschweren Knie-Infektion im Oktober 1997 vorgelebt, was er nun von seiner Mannschaft fordert. Nicht zuletzt deshalb reiht sich auch der künftige Bundestrainer Christoph Daum (Bayer Leverkusen), bei dem Sammer noch vor wenigen Monaten im Zuge seiner Trainerausbildung hospitierte, in die lange Reihe der Sammer-Verehrer ein: "Das wird ein großer Trainer."

(RPO Archiv)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort