Marcel Reif im Interview „Einfach nur einen Ex-Spieler zu nehmen – so einfach wird es nicht“

Düsseldorf · Der frühere TV-Kommentator Marcel Reif hat im Interview mit unserer Redaktion über die Krise beim DFB, das Spitzenspiel zwischen Bayern und dem BVB und die Entlassung von Dieter Hecking bei Borussia Mönchengladbach gesprochen.

 Experte Marcel Reif.

Experte Marcel Reif.

Foto: Sport1/Nadine Rupp / Ruppografie

30 Jahre kommentierte Marcel Reif Fußballspiele im Fernsehen. Für seine Berichterstattung bei der WM 2002 in Südkorea und Japan wurde er mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet, für die improvisierte Moderation des „Torfalls von Madrid“ mit Günther Jauch erhielt er den Bayerischen Fernsehpreis. Obwohl er vor drei Jahren als Kommentator aufhörte, ist Reif weiter präsent. Seit Sommer 2016 ist er Experte in der Fußball-Talkshow „CHECK24 Doppelpass“ auf Sport1 und am Sonntag (11.00 Uhr) Teil der Talkrunde.

Welche Erwartungen haben Sie an das Spitzenspiel zwischen Bayern München und Borussia Dortmund am Samstag?

Reif Spätestens jetzt müssten die Bayern aufgewacht sein und begriffen haben, dass die Champions League vorbei ist und sie sich jetzt den nationalen Aufgaben zu widmen haben. Die beiden Mannschaften spielen praktisch ein Finale gegeneinander, insofern erwarte ich großen Fußball – das Beste, was der deutsche Fußball zu bieten hat. Die Ausgangslage ist völlig klar: Die Bayern müssen gewinnen.

Muss es einem nach dem Spiel gegen Heidenheim nicht angst und bange werden als Bayern-Verantwortlicher?

Reif Jetzt zahle ich Ihnen gleich drei Euro in irgendein Phrasenschwein. Der Pokal hat wirklich seine eigenen Gesetze. Man ist nach einer Viertelstunde ein Mann weniger und der Zweitligist gegenüber hat überhaupt nichts zu verlieren. Die sind ja nach Hause gefahren und haben sich zu Recht wie Weltmeister gefühlt. Das war sehr luftig und schaumig, was die Bayern da veranstaltet haben. Wenn es nicht die Bayern wären, so eine erfahrene Mannschaft mit so vielen Spitzenspielern, dann könnte einem angst und bange werden.

Wie oft mussten Sie in dieser Saison schon ihren Meistertipp ändern?

Reif Dreimal. Und das ist gut so. Das ist das Beste, was man über diese Saison sagen kann. In den vergangenen Spielzeiten musste man nicht einmal tippen, denn man wusste, wer es wird. Diesmal muss man seinen Meistertipp mehrfach verändern, und das ist eine höchst erfreuliche Tatsache.

Marcel Reif: Der Chef-Fußballkommentator von Sky
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Wie sieht ihr Meistertipp aktuell aus?

Reif Im Moment haben die Dortmunder für mich Vorteile, weil sie ihre kleine Krise offenbar überwunden haben und die Bayern immer noch in der Sinnfindung sind, jetzt richtig begriffen haben, dass der Umbruch kommt. Entweder ist die Mannschaft über ihrem Zenit und sie kriegt es nicht mehr hin, oder die älteren Herrschaften erkennen das als letzte Ausfahrt, in dieser Saison und vielleicht auch für sich selbst nochmal etwas zu reißen.

Hat Niko Kovac eine lange Zukunft in München?

Reif Ich glaube, das hängt sehr von dem Spiel am Samstag ab. Ohne Titel oder „nur“ mit dem DFB-Pokal dazustehen, das ist als Leistungsnachweis zu wenig. Das würde die Bayern-Verantwortlichen nochmal zum Umdenken bringen. Die Frage ist, traut man ihm zu, eine neue Mannschaft aufzubauen? Aber wenn das am Samstag krachend schief gehen sollte, wird der Druck von außen groß. Dagegen sind auch die Bayern nicht ganz immun.

Werden wir uns die Augen reiben, wie viel die Bayern nach dieser Saison für Neuzugänge ausgeben werden?

Reif Die Bayern haben klar gemacht, dass sie mit den Großen in der Champions League mitspielen wollen. Und leider sind die Verhältnisse heutzutage so. Michael Preetz hat kürzlich gesagt, ein Spieler, der zehn Millionen Euro kostet, ist das frühere „ablösefrei“. Ich schätze, die Bayern werden ein Volumen von 300 Millionen ausgeben. Real Madrid ist in einer ähnlichen Umbruch-Phase wie die Bayern, was glauben Sie, was die im Sommer veranstalten werden? Die werden alles kurz und klein hauen. Das Geld ist da, und es wird unter den Großen hin- und hergeschoben. Ich habe mir abgewöhnt, da zu moralisieren.

Der Rücktritt von Reinhard Grindel ist der dritte eines DFB-Präsidenten innerhalb von zehn Jahren. Was sagt das über den DFB aus?

Reif Genau das. Das ist eines der höchsten Ämter, die es in Deutschland gibt. Dieses Amt stellt Ansprüche und offenbar ist es nicht so leicht, die zu erfüllen. Zumindest nicht für die handelnden Personen, die das bisher versucht haben. Das ist schon bedenklich. Wir schauen immer naserümpfend auf Konföderationen-Präsidenten und Landespräsidenten in Mittelamerika und Südamerika. Da seien wir anders. Nunja, diese Strecke ist kein großes Ruhmesblatt für den deutschen Fußball. Passt sich irgendwie auch den Leistungen zuletzt an. Es soll Menschen geben, die so etwas leisten können, nur den Richtigen für das Amt muss man jetzt finden.

Haben Sie jemanden im Kopf?

Reif Es ist nicht nur ein repräsentatives Amt. Gerade in diesen Zeiten, denn der deutsche Fußball ist ja aktuell nicht auf seinem Höhepunkt, weder in der Nationalmannschaft noch bei den Klubs. Es gibt eine Menge zu tun. Einfach nur einen Ex-Spieler zu nehmen – so einfach wird es nicht. Nur eine Gallionsfigur kann es nicht richten. Man sollte sich Zeit lassen.

Was würden Sie dem DFB raten?

Reif Eine klare Linie zu fahren! Die Amateurligen so zu koordinieren, dass es einen Sinn ergibt, gerade bei der Regionalligareform. Damit die Profis wissen, wo ihre Basis ist. Eine Solidarität in der Nationalmannschaft hinzukriegen. Sich nicht alle zwei Wochen zu etwas zu äußern, das dann wieder korrigiert werden muss. Intern so aufräumen, dass es solche Peinlichkeiten wie zuletzt nicht nochmal gibt. Was mit Grindel gelaufen ist, bei all den Fehlern, die er gemacht hat, da sind auch eine Menge Interna nach außen durchgestochen worden. Das ist kein Klima, wie es solch einem Verband gut tut.

Hat Sie die Entlassung von Dieter Hecking bei Borussia Mönchengladbach überrascht?

Reif Nicht übermäßig. Ich glaube, dass man gemerkt hat, man ist am Ende einer Reise. Schon in der vergangenen Saison gab es intensive Gespräche, da hat sich Hecking ja eine Menge bewegt. Dann lief das auch prima, aber man springt wieder unter der Latte durch. Das passte irgendwie nicht mehr, und Borussia ist ein Klub, der den nächsten Schritt machen wollen muss. Ich finde toll, dass Hecking gesagt hat, ich ziehe das mit allem Einsatz bis zum Ende durch, und die Mannschaft ist intelligent genug, nicht zu sagen, wir haben eine lahme Ente hier. Platz vier ist immer noch offen und machbar. Da heißt es jetzt nochmal hinzulangen.

Wer wäre der geeignete Nachfolger für Hecking?

Reif So wie ich höre, läuft es ja auf Marco Rose hinaus, und er hat ja einen super Leistungsnachweis. Er hat eine Mannschaft mit weniger Möglichkeiten als Borussia Mönchengladbach in Österreich. Er hat RB Salzburg ins internationale Geschäft geführt und da eine ausgesprochen gute Figur abgegeben. Insofern klingt das gut, aber dann muss man sehen, wie er in der Bundesliga klarkommt. Mir fällt kein Besserer ein im Moment. Er ist der am heißesten gehandelte Name - und das nicht zufällig. Wolfsburg war auch interessiert. Das ist einer, mit dem man sich sehen lassen kann.

Und nun ihr Tipp für das Spitzenspiel zwischen Borussia Dortmund und Bayern München am Samstag?

Reif 1:1.

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