Präsident ist traurig für Afrika Luft für Fifa-Boss Blatter wird dünner

Zürich/Johannesburg (sid). Die Vergabe der Fußball-WM 2006 an Deutschland hinterließ vier große Verlierer: Die Mitbewerber Südafrika, England und Marokko sowie Fifa-Präsident Joseph Blatter. Der mächtige Boss des Welt-Verbandes hatte sich stets für eine erstmalige Ausrichtung eines WM-Endrundenturniers auf dem afrikanischen Kontinent stark gemacht. Die Enttäuschung über das Abstimmungsergebnis war Blatter, der eigentlich die Fifa-Exekutive im Griff zu haben glaubte, anzusehen.

"Als Präsident akzeptiere ich die Wahl. Aber ich bin traurig für Afrika. Es war ganz nah dran, darf aber den Mut nicht verlieren. Wir müssen weiter Entwicklungsarbeit leisten und Afrika helfen, wieder aufzustehen", sagte Blatter nach dem 12:11-Votum der Fifa-"Regierung" pro Deutschland am Donnerstag in Zürich.

Nicht zuletzt mit den Stimmen der Afrikaner war der 64-Jährige vor zwei Jahren in Paris zum Fifa-Chef und Nachfolger des Brasilianers Joao Havelange gewählt worden. Quasi im Gegenzug hatte sich Blatter an die Spitze der Befürworter einer WM in Afrika gesetzt - schon 2006. Doch die europäische Allianz - außer Blatter votierten offenbar alle acht Uefa-Vertreter im dritten und letzten Wahlgang für Deutschland - war stark genug, um die Kandidatur des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) durchzubringen.

Für den eloquenten Mann aus dem Wallis geht es auch um die künftige Fifa-Präsidentschaft. Es sickerte bereits durch, dass sich Welt-Verbands-"Vize" Mong-Joon Chung (48/Südkorea) in zwei Jahren als möglicher Gegenkandidat von Blatter zur Wahl stellen wird. Der ebenfalls ambitionierte Chef der afrikanischen Konföderation (CAF), Issa Hayatou (53/Kamerun) verzichtet wohl auf eine Kandidatur, weil er auf dem afrikanischen Kontinent nicht unumstritten ist. Die anglophonen Länder in Afrika stehen zum Teil nicht hinter Hayatou, der hauptsächlich die Rückendeckung in den frankophonen Staaten genießt.

Blatter braucht auch künftig die Unterstützung Afrikas für seine Wiederwahl. Der Eidgenosse versuchte deshalb nach der Entscheidung der Fifa-Exekutive, den Schaden so klein wie möglich zu halten und motivierte den schwarzen Kontinent: "Afrika muss sich auf das nächste Mal konzentrieren. Die WM wird eines Tages nach Afrika kommen, die Afrikaner können eine WM ohne Probleme organisieren." Der deutsche WM-Bewerbungs-Chef und "Matchwinner" Franz Beckenbauer versprach speziell Südafrika die deutsche Unterstützung für 2010: "Wir haben zwar keine Stimme in der Exekutive, aber wir werden alles tun, damit Südafrika 2010 WM-Gastgeber wird. Afrika hat die nächste WM verdient."

Zum dritten Mal schon war Marokko im übrigen gescheitert. Wahrscheinlich wird deshalb allein Südafrika die afrikanischen Ambitionen auf eine WM-Ausrichtung in der nächsten Bewerbung tragen. Die Fifa möchte zudem das Auswahlverfahren in der WM-Kandidatur modifizieren. Künftig soll pro Konföderation nur noch ein Bewerber zugelassen werden. Außerdem kündigte Blatter schon an, dass das Rotationsprinzip, das einst von der Europäischen Fußball-Union (Uefa) vorgeschlagen, aber von der Fifa nicht angenommen wurde, schon "bis zum Jahresende" in den Fifa-Statuten verankert wird.

Bleibt es beim derzeitigen Vier-Jahres-Rhythmus für WM-Turniere und wird die Rotation tatsächlich verabschiedet, würde Europa frühestens 2026 (England?) wieder in den Genuss einer WM-Endrunde kommen. In Anbetracht dieser Entwicklung wird die Dimension des Zuschlags für Deutschland deutlich.

(RPO Archiv)
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