Laserpointer und Bierbecher Warum Fans das Problem und die Lösung sind

Analyse | Düsseldorf · Böller- oder Becherwürfe und nun Laserpointer bei einem Elfmeterschießen um die WM-Teilnahme. In den vergangenen Wochen gab es gleich mehrere Vorfälle, bei denen Fans ein Spiel gestört oder im Ergebnis gar beendet haben. Die Macht der Fans ist so groß, dass sie sich nur selbst regulieren können.

 Mohamed Salah wurde mit Laserpointern geblendet.

Mohamed Salah wurde mit Laserpointern geblendet.

Foto: picture alliance / empics/BackpagePix

Wer eine Eintrittskarte für ein Fußballspiel erwirbt und den Fehler macht, ins Klitzekleingedruckte zu schauen, mag sich verunsichert fragen, ob er statt „Gegengerade“ am Kassenhäuschen versehentlich „Ratenkredit“ gesagt hat. Das Paragraphenwerk umfasst nicht mal nur die gerade gültigen Coronaverordnungen, grundsätzlich akzeptieren Besucher mit dem Betreten eines Stadions Regeln, die zumindest der Teil von ihnen nicht kennen dürfte, der noch kein juristisches Proseminar besucht hat. Oder hätten Sie gewusst, dass das Sicherheitspersonal in der Gelsenkirchener Arena Besuchern mit 1,6 Promille viel Spaß beim Spiel wünscht, Fans mit 1,7 Promille aber nach offizieller Lesart erstmal ausnüchtern müssen? Menschen, die dies mit „Ja“ beantwortet haben, wissen dann sicher auch, dass das Mitführen von Leitern, das Nächtigen im Stadion und Powerbanks (ab einer Größe von 10x7x3cm) untersagt sind.

Ursächlich dafür, dass sich der Großteil der Fans auch ohne derartige Paragraphenkenntnis mit traumwandlerischer Sicherheit im Stadion bewegt, sind gelernte Etikette und Schwarmintelligenz. Es gibt kaum einen sozialen Raum, in dem Menschen so lustvoll im Kollektiv aufgehen, einen Gutteil Individualität klaglos gegen die aktuelle Fankollektion eintauschen, um mit einem Kopfsprung und wohligem Schauer Teil einer gesichtslosen Masse zu werden. Wenn die einmal in Wallung kommt, kann sie Funken schlagen und die Kulisse zum Akteur werden, der das Geschehen auf dem Rasen maßgeblich beeinflusst. Kaum ein Protagonist großer Fanvereine versäumte nach der schrittweisen Rücknahme der Corona-Beschränkungen einen Hinweis darauf, dass die Zuschauer allein einem mindestens neue Impulse geben, vielleicht sogar Spiele gewinnen können. Der zwölfte Mensch im eigenen Team.

Wie genau das vonstatten geht, darüber gibt es nicht mal Kleingedrucktes zu lesen. Die Darreichungsformen von Anfeuerungen, heute Support, sind freilich Moden unterworfen und doch im Kern verblüffend unveränderlich. Vor allem über die Art der dargebotenen Geschmacklosigkeiten im Umgang mit dem Gegner und dessen Anhängern darf aber seit praktisch jeher gestritten werden. Mit den deutschen Fankurven der 1980er Jahre wäre nach heutigen Maßstäben kaum ein Bundesliga-Spieltag ohne Spielabbruch wegen rassistischer Ekelhaftigkeiten ausgekommen. Solche Entgleisungen bereits auf der Mikroebene entgegenzuwirken, ist inzwischen in jeder Hausordnung verankert, aber auch ohne dazugehörigen Artikel dankenswerterweise Teil der Kurvenhygiene.

Dennoch bleibt es eine der eigentlichsten Funktionen eines Stadionbesuchers, nicht nur das eigene Team zu beflügeln, sondern gleichsam den Gegner zu verunsichern und einzuschüchtern. Dabei gehören auch Beleidigungen zum etablierten und quasi TÜV-geprüften Werkzeugkasten jeder Fußballkurve. Was sich dort anfühlt wie ein Naturgesetz, wird in anderen Sportarten durchaus anders gehandhabt. Im Tennis ist es nicht nur Etikette, bei Aufschlagspielen Ruhe zu bewahren. Unliebsame Zwischenrufer müssen durchaus damit rechnen, des Stadions verwiesen zu werden. Fußballer, denen bei Eckbällen ebenfalls ein gewisses Maß an Konzentration zuträglich wäre, müssen derweil beinahe traditionelle Bierduschen über sich ergehen lassen. Fehlt nur noch, dass diese von der lokalen Brauerei präsentiert werden.

Spätestens an dieser Stelle ist angemessenes Verhalten im Stadion mehr als eine Geschmacksfrage. Welchen Einfluss der Wurf eines Bierbechers schließlich auch nehmen kann, war beim Spielabbruch in Bochum zu beobachten. Nicht minder folgenschwer war die Vorführung eines Zuschauers beim Regionalliga-Spiel zwischen Rot-Weiss Essen und Preußen Münster, der sich nur einen Monat zuvor nicht entblödet hatte, einen Böller ins Stadion zu werfen und damit einen Spielabbruch plus Wertung für Münster zu provozieren. Dass Fans des Senegal bei dem Elfmeterschießen um ein WM-Ticket nun mit dem Laserpointer-Vorrat einer ganzen Elektromarkt-Kette in die Gesichter der Schützen aus Ägypten leuchteten, die wie auf Bestellung allesamt verschossen, ist eine Unsportlichkeit, die die Frage mit neuer Dringlichkeit versieht, was Fans eigentlich erlaubt sein soll beim Sport. Immerhin könnte man ja bereits als unsportlich bewerten, gegnerische Spieler auszupfeifen – besonders beim Elfmeterschießen. Radikal weitergedacht mündet der Versuch der Einflussnahme schließlich in Vorfällen wie in Essen, Münster oder Dakar. Andererseits beraubte man die Fans mit jeder Art von Regulierung auch ihrer wichtigsten Werkzeuge – von der Frage der Durchführbarkeit ganz zu schweigen. Ein Spielabbruch wegen Pfiffen oder Verhöhnungen ist derzeit schwer vorstellbar.

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Foto: Twitter/Futementales

Wo Sportsgeist endet, Geschmacklosigkeiten beginnen und Sanktionen einsetzen müssen, lässt sich nicht allein mit einer Stadionordnung beantworten. Die bewertet Laserpointer genauso wie Becherwürfe und Rassismus – alles gleichsam verboten wie allgegenwärtig. Bestenfalls sollte man daher auf die selbstregulierenden Kräfte der Kurven vertrauen. Wie sensibel und geschmackssicher die Sensoren der Anhängerschaft reagieren, lässt sich an den öffentlichen Reaktionen auf die jüngsten Vorfälle ablesen. Auch den grassierenden Rassismus haben keine DFB-Kampagnen eingedämmt sondern die basisdemokratische Macht des zwölften Menschen. Die verhindert zwar nicht jeden Vorfall, schützt aber vor schweren Auswüchsen.

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