Kolumne „Anstoß“ Die Bundesliga braucht jetzt Nächstenliebe

Düsseldorf · Bayern, Dortmund, Leipzig und Leverkusen haben bereits in einen Solidarfonds eingezahlt. Eine Lehre aus der Krise: Der Fußball braucht Rücklagen.

 Hoffenheim-Mäzen Dietmar Hopp und Bayern Münchens Ehrenpräsident Uli Hoeneß.

Hoffenheim-Mäzen Dietmar Hopp und Bayern Münchens Ehrenpräsident Uli Hoeneß.

Foto: dpa/Hasan Bratic

Es klang beinahe wie im Bibelkreis Bundesliga. Der Hoffenheimer Klubfinanzier Dietmar Hopp sagte: „Der Starke hilft dem Schwachen.“ Und Bayern Münchens ehemaliger Präsident Uli Hoeneß erklärte: „Die Großen müssen den Kleinen helfen.“ So viele Aufrufe zur praktizierten Nächstenliebe hat es im deutschen Fußball noch nicht gegeben. Und so viel – zumindest vordergründige – Einigkeit über die Notwendigkeit eines Solidarfonds für in Not geratene Vereine auch nicht.

Über eine Folge der Corona-Krise wird nämlich nicht einmal unter den Meinungsführern der Liga gestritten: Die Bewältigung wird jeden Verein Millionen kosten – und das gilt nicht nur für den sportlich schlimmsten Fall, den Abbruch der Saison. Einigkeit herrscht auch in der Annahme, dass es Klubs gibt, die einen solchen Schlag leichter abfangen können als andere, und dass er einige Vereine in der Existenz bedrohen könnte.

Deshalb liegt der Gedanke eines Solidarfonds nahe, der den Schwächeren über die Runden helfen kann. Der Topf soll mit einem Teil der Fernsehgelder gefüllt werden, die dann nicht mehr nach dem Erfolgsschlüssel an die Vereine verteilt werden. Auch zu dieser Idee geschieht allseitig zustimmendes Nicken des Kopfes.

Und als vor einigen Tagen die vier Großen der Liga (Bayern, BVB, Leipzig, Leverkusen) versprachen, zusammen 20 Millionen einzuzahlen, schien das Paradies auf Erden bereits ganz nah zu sein. Das Geld wollen die Vier, die in der Champions League schon ordentlich verdient haben, aus den TV-Geldern abzweigen. Auch das scheint einem allgemeinen Plan zu folgen.

Im Kleingedruckten aber lauern die Bedenken. Der Dortmunder Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke hat sie in diesem Satz versteckt: „Wir haben immer gesagt, dass wir uns solidarisch zeigen, wenn Klubs unverschuldet in Schieflage geraten.“ Unverschuldet, hat er gesagt. Ein paar Tage vor der großzügigen Spende war er noch präziser. „Am Ende“, betonte Watzke, „können nicht die Klubs, die ein bisschen Polster angesetzt haben, die Klubs, die das nicht getan haben, dafür auch noch belohnen.“ Und: „Das darf nicht dazu führen, dass die Klubs profitieren, die in den vergangenen Jahren sportlich und ökonomisch Fehler gemacht haben.“ Namen nannte er nicht.

Das klingt jetzt nicht direkt nach Nächstenliebe, die ihrem Grundsatz nach ohne Bedingungen ist. Es zeigt die im Geschäftsleben natürlichen Grenzen der Solidarität. Und das ist nicht nur aus Watzkes Sicht eine berechtige Einschränkung.

Er steht auch gar nicht in der Pflicht, für buchstäblich ausgleichende Gerechtigkeit zu sorgen. Das obliegt der Deutschen Fußball Liga. Sie wäre die Hüterin eines Solidarfonds, sofern sich die Bundesligisten entschließen, ihn einzurichten. Die DFL ist aber auch Herrin des Lizenzverfahrens. Sie bewertet die wirtschaftlichen Voraussetzungen der Klubs und erteilt danach die Spielberechtigung – unter Umständen mit Auflagen. Dieses Verfahren hat bislang verhindert, dass ein Klub der Bundesliga im laufenden Betrieb zahlungsunfähig geworden wäre. Das Verfahren ist schon jetzt vorbildlich für Europa.

Was spricht also dagegen, den Klubs im Lizenzverfahren vorzuschreiben, selbst Rücklagen für den Katastrophenfall zu bilden? Nichts. Und der Gerechtigkeit, nach der Watzke so laut ruft, wäre ebenfalls Genüge getan. Das wäre eine Lehre aus dem Crash, den die Bundesliga durch die Corona-Krise erleben wird. Das ist allerdings Zukunftsmusik. Für den Moment hilft tatsächlich nur Nächstenliebe. Denn wenn nur die Starken und Fehlerfreien unter sich bleiben, wird die Bundesliga sehr übersichtlich. Das weiß Watzke natürlich. Deshalb hat sein BVB auch eingezahlt in den Solidar-Topf.

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