Macht der KFC-Präsident weiter oder nicht? Ponomarev ringt mit sich

Krefeld · Es ist höchstwahrscheinlich auch eine Art Dilemma zwischen Kopf und Herz, in dem der Präsident des KFC Uerdingen steckt. Wer seine Motivation und Situation verstehen will, muss den Menschen verstehen. Spurensuche.

 Eine Stadt. Ein Verein. Ein Ziel. Mikhail Ponomarev vor dem Slogan an der Wand der Grotenburg.

Eine Stadt. Ein Verein. Ein Ziel. Mikhail Ponomarev vor dem Slogan an der Wand der Grotenburg.

Foto: Lammertz, Thomas (lamm)

Mikhail Ponomarev, der Präsident des KFC Uerdingen, hat der Stadt mitgeteilt, dass der Verein an einer gemeinsamen Betreibergesellschaft für die Grotenburg derzeit kein Interesse mehr habe. Seitdem wird gerätselt, was den 44 Jahre alten Unternehmer dazu bewogen hat, nachdem er Ende Januar gesagt hatte, die Gespräche mit der Stadt seien gut und weit gediehen. Wer soll das verstehen? Verstehen kann das nur, wer den Menschen Ponomarev zu verstehen sucht. Ein Versuch.

Ponomarev ist finanziell unabhängig. Der Unternehmer hat es wirtschaftlich früh zu etwas gebracht. Er ist ehrgeizig und erfolgreich. Und er liebt den Sport. In England hat er beim AFC Bournmouth Erfahrungen als Trikotsponsor und Gesellschafter gesammelt. Die möchte er nutzen und zeigen, was er kann – dass er es kann: einen Klub nach oben führen, erfolgreich sein.

Ponomarevs Achterbahnfahrt. Was er in den vergangenen 14, 15 Monaten erlebt hat, war viel, extrem viel. Sportlich in der Regionalliga so gut wie Vizemeister ohne Aussicht auf den Aufstieg gelangen mit den Verpflichtungen von Torjäger Maximilian Beister und Trainer Stefan Krämer zwei Glücksgriffe, mit denen der KFC Uerdingen doch noch in die Dritte Liga aufstieg. Doch plötzlich wurde die Lizenz verweigert: Die Kaution sei nicht rechtzeitig auf dem Konto gewesen. Aber Ponomarev erstreitet die Lizenz vor Gericht, weil er die Kaution pünktlich überwiesen hatte. Bis zum Jahresende ist die sportliche Bilanz glänzend, doch aus Ponomarevs Sicht stimmt zwar die Punktausbeute, nicht aber die Leistung.

Ponomarev ist enttäuscht. Er war risikobereit, hat noch während der Saison in namhafte Spieler wie Dominic Maroh, Assani Lukimya und Roberto Rodriguez investiert, doch die sportliche Bilanz ist seit Jahresbeginn schlecht. „Für einen Investor war es keine gute Saison“, sagt Ponmarev. Das klingt nüchtern, das sind die Worte des Unternehmers. Seine Enttäuschung verbirgt er.

Ponomarev ist unzufrieden. Das betrifft aber nicht nur die sportliche Situation, sondern vor allem die des Vereins. Dass der KFC eine Saison lang nicht in der Grotenburg spielen kann, wusste er. Dass die Miete der Schauinsland-Arena nicht nur mit hohen Kosten, sondern auch ziemlich großem Ärger verbunden ist, hatte er nicht einkalkuliert. Der KFC wurde an der Wedau weder heimisch noch glücklich. Er hat die viertschwächste Heimbilanz aller 20 Drittligisten und steht in der Zuschauertabelle mit 4205 Besuchern auf Rang 14. Das ist finanziell ärgerlich, vor allem aber emotional enttäuschend. Die Konsequenz als Mieter hat Ponomarev sofort gezogen: Umzug nach Düsseldorf.

Ponomarev fühlt sich missverstanden. In den zurückliegenden Wochen sorgte der Verein aber nicht nur sportlich für Schlagzeilen. Rund 30 juristische Streitigkeiten gebe es. Dass die rechtlichen Auseinandersetzungen mit einem Makel behaften sind, ist für Ponomarev schwer zu verstehen. Aus seiner Sicht ist es ganz einfach: Werden die vertraglich zugesicherten Leistungen erbracht, zahlt er. Wenn nicht, zahlt er nicht. Dann muss das vor Gericht geklärt werden. Darin sieht er nichts Unehrenhaftes, sondern einen normalen Geschäftsvorgang.

Ponomarev ist verletzt. Er ist es gewohnt, als Geschäftsmann mit harten Bandagen zu kämpfen. Aber er ist es nicht gewohnt, persönlich angegangen, denunziert und diffamiert zu werden. Zwar wusste er aus seiner Zeit in England, dass die Boulevardblätter manchmal nicht zimperlich sind, doch die Kampagne der „Bild“ gegen seine Person („Troll Dich, Troll Ponomarev!“) hat ihn vermutlich bis ins Mark getroffen. Und sie hat sicherlich bewirkt, dass er sich fragt: Muss ich mir das antun? Ist es mir das wert?

Ponomarev versteht manches nicht. Er ist in Russland geboren und aufgewachsen, er hat in England gelebt und fühlt sich jetzt in Deutschland eigentlich sehr wohl. Aber manches versteht er nicht. Zum Beispiel, warum die deutschen Fußballfans derart vehement für die 50+1-Regel - vereinfacht ausgedrückt: die Mehrheit der Anteile muss immer beim Verein liegen – kämpfen. Investoren sind für ihn Förderer, die dem Verein und sich Gutes wollen. Beide profitieren voneinander – das ist das Ziel.

Ponomarev vermisst Unterstützung. Die hat er seitens der Fans nicht immer gespürt, aber auch nicht seitens der Stadt. Eine Saison ohne heimisches Stadion war schmerzhaft, eine zweite wäre noch zu ertragen, aber eine dritte nicht. Deshalb hat er nun gesagt, dass er für den Fall, dass der KFC auch in der Saison 20/21 nicht in der Grotenburg spielen kann, Kompensationsleistungen erwartet. Das sind aus seiner Sicht keine verbotenen Subventionen oder städtische Hilfen, sondern völlig normale Leistungen, die dem Mieter zustehen, der die Wohnung nicht zu vereinbarten Termin beziehen kann. Aber es geht nicht allein um die Grotenburg, sondern auch um ein fehlendes Trainingsgelände, um Plätze für die Jugend.

Ponomarev kämpft mit sich. Ponomarev ist Unternehmer und Sportsfreund, nüchtern in puncto Finanzen, mit viel Herzblut für den Sport. Die Erleichterung und Freude über die Verpflichtung von Trainer Heiko Vogel vor drei Wochen zeigt, dass die Entscheidung, ob Ponomarev sich zurückzieht oder nicht, noch nicht gefallen ist. Er ringt mit sich. Spielt der KFC in der kommenden Saison in der dritten oder fünften Liga? Es steht Spitz auf Knopf. Eigentlich müssten Ponmarev und die Stadt ein Interesse daran haben, dass der KFC auch nächste Saison in der Dritten Liga spielt. Ponomarev, weil er sein Ziel, in vier Jahren mit dem Verein in der Zweiten Liga zu sein, noch nicht erreicht hat, zumal er in den zurückliegenden drei Jahren rund 15 Millionen Euro investiert hat. Und die Stadt, damit die Grotenburg nach der rund elf Millionen Euro teuren Sanierung nicht leer steht.

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