Mit mahnenden Worten in den Urlaub Kanzler Schröder: "Lasst junge Leute spielen"

Hamburg (sid). Bundeskanzler Gerhard Schröder hat sich mit mahnenden Worten zum deutschen Fußball in die politische Sommerpause verabschiedet. Der Regierungschef erwartet von den Bundesliga-Klubs verstärkte Bemühungen um den Nachwuchs und warnte in einem Interview mit der Fachzeitschrift Sport-Bild vor einer Übersättigung der Fans durch zu viele Fußball-Übertragungen im Fernsehen. Zugleich würdigte der SPD-Vorsitzende die Bedeutung des Sports für die Gesellschaft.

Schröder liegt nach dem EM-Desaster der deutschen Nationalelf die Talentschulung besonders am Herzen. "Sportlich kann man die Situation ganz gut mit der Green-Card-Initiative der Bundesregierung vergleichen. Es ist schon richtig, einen Fachkräftemangel kurzfristig durch Anwerbung von Ausländern auszugleichen. Aber langfristig kommt es - im Fußball wie in den IT-Berufen - darauf an, eigenen Nachwuchs auszubilden und die jungen Leute auch spielen zu lassen", meinte der 56-Jährige.

Nach Ansicht von Schröder ist bei der Förderung der einheimischen Junioren allerdings eine Modifizierung des Bosman-Urteils von 1995 rechtlich "natürlich nicht" durchsetzbar: "Die Europäischen Verträge garantieren die Freizügigkeit der Arbeitnehmer, und dazu gehören trotz ihrer hohen Gehälter auch die Fußball-Profis."

Trotz der Probleme im deutschen Nachwuchs verbindet der Bundeskanzler mit dem neuen DFB-Teamchef Rudi Völler auch die Hoffnung auf eine erfolgreiche Qualifikation der Nationalelf für die WM-Endrunde 2002 in Japan und Südkorea: "Natürlich steht Rudi Völler vor einer großen Herausforderung. Aber er ist ein Mann von Erfahrung, Durchsetzungskraft und Ehrgeiz. Er wird das schon schaffen."

Auch bei der Organisation der WM-Endrunde 2006 in Deutschland erwartet Schröder, der die Präsentation von Deutschlands WM-Bewerbung vor der entscheidenden Abstimmung durch seine Anwesenheit in Zürich massiv unterstützt hatte, keine Schwierigkeiten. "Ich denke, dass die Zusammenarbeit mit Franz Beckenbauer, der wirklich Herausragendes geleistet hat, auch weiterhin eine Garantie für erstklassige Ergebnisse ist - zumindest um die Spiele herum."

Skeptischer steht Gerhard Schröder dagegen der Ausweitung der TV-Übertragungen im Fernsehen auf Free- und Pay-TV-Sendern gegenüber: "Die Gefahr der Übersättigung sehe ich schon. Aber ich halte die Fernsehzuschauer für mündig genug, entsprechend zu reagieren."

Dem Sport im Allgemeinen misst der Kabinettschef eine wichtige Bedeutung "für den Zusammenhalt in der Gesellschaft" bei. Dabei gilt sein Augenmerk auch dem Breitensport: "Ohne Menschen, die ihre Freizeit als Übungsleiter, Trainer und Betreuer zur Verfügung stellen, findet Sport nicht statt. Ich möchte den Freiwilligen und Ehrenamtlichen dafür Dank sagen."

(RPO Archiv)
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