Mit Leidenschaft auf dem Spielfeld Jonah Besong ist aus Liebe zum Pfiff Schiedsrichter

Duisburg · Der Duisburger Jonah Besong ist mit Leib und Seele Fußball-Schiedsrichter. Eine Geschichte über Herausforderungen und den Mut, seiner Leidenschaft zu folgen.

Foto: IMAGO/Michael Ketzer

Kurz bevor es rausgeht, hat Maxi Jazz noch seinen großen Auftritt. Dann blendet Jonah Besong für einen Moment alles aus, dreht die Musik auf und lässt die markante Stimme des Frontsängers der Band „Faithless“ auf sich wirken. Nach wenigen Sekunden wummern bereits die Bässe des Songs „Insomnia“. „Das spule ich dann immer auch vor bis zu der Stelle, kurz bevor das Instrumental einsetzt: ,I can‘t get no sleep‘ – und dann geht‘s los“, erzählt der 24-Jährige.

Angesichts des Hobbys, das er betreibt, ist die Songauswahl jedenfalls bemerkenswert. Schließlich darf Besong als Fußball-Schiedsrichter alles andere als schlaflos in ein Spiel gehen, sondern ausgeruht und voller Konzentration. Und das 90 Minuten lang, plus Nachspielzeit. Dabei muss er jegliche Einflüsse von außen ausblenden und in einem Bruchteil einer Sekunde Entscheidungen treffen, die im schlimmsten Fall falsch sind und später an virtuellen Stammtischen im Internet bis ins kleinste Detail seziert werden. Ohne Zweifel, es gibt deutlich entspannendere Freizeitbeschäftigungen. Deshalb stellt sich die Frage: Warum tut sich ein junger Mensch sowas an?

Jonah Besong muss bei der Antwort unweigerlich lächeln. „Ich bin immer gerne etwas anders als der Rest“, erklärt er. „Es macht mir einfach großen Spaß. Selbst wenn ich für ein Spiel in der Kreisliga A angesetzt werde, fahre ich dahin und habe einfach Bock darauf, diese Partie zu leiten.“ Um zu verstehen, warum der Duisburger die Schiedsrichterei mit solcher Leidenschaft betreibt, muss man einen Blick in seine Vergangenheit werfen.

Schon als Schüler habe er einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn gehabt, erzählt er. Und während andere Kinder in seinem Alter auf dem Bolzplatz die Tricks ihrer Idole nachmachten, interessierte sich der damals 13-Jährige mehr für das große Ganze. Also ging er eines Tages auf die Verantwortlichen seines ersten Fußballklubs Post SV Blau-Weiß Duisburg zu und bekräftigte seinen Wunsch, Schiedsrichter werden zu wollen – mit Erfolg. Und wie es der Zufall so wollte, fand der erste Lehrgang ausgerechnet an seinem 14. Geburtstag statt.

Aus dem kleinen Funken sollte schnell eine lodernde Flamme werden. Sie war irgendwann so groß, dass Besong auch mal ein Spiel seiner Fußballmannschaft sausen ließ, um seine ersten Partien als offizieller Referee pfeifen zu können. „Ich war damals am Rücken verletzt und konnte selber nicht spielen“, erzählt er. „Gleichzeitig habe ich aber meine erste Ansetzung bekommen und dann alles dafür getan, um für dieses Spiel fit zu werden, weil ich unbedingt Schiedsrichter sein wollte.“ Dafür nahm er auch gerne einen Anschiss seines damaligen Trainers in Kauf. „Er meinte, ich könne selber nicht spielen, aber zwei Spiele pfeifen. Das fand er überhaupt nicht gut“, sagt er lachend.

Inzwischen konzentriert sich der gelernte Automobilkaufmann komplett aufs Pfeifen und hat sich innerhalb von gerade Mal zehn Jahren bis in die Regionalliga West, der vierthöchsten Spielklasse in Deutschland, hochgearbeitet. Dafür investiert der Mittzwanziger fiel.

Neben seinem Joballtag stehen pro Woche bis zu drei Fitnesseinheiten an. Dazu noch Vor- und Nachbereitung von Spielen per Videostudium sowie Gespräche mit einem Coach, den er als Regionalliga-Schiedsrichter vom Fußballverband Niederrhein (FVN) gestellt bekommt. Eine Menge Aufwand für ein Hobby.

Aber Besong treibt was ganz Anderes an. „Für mich ist es auch ein eigener Sport: Ich laufe sehr viel, muss mich ständig konzentrierten und in kürzester Zeit Entscheidungen treffen“, erklärt er. „Ich blende in den 90 Minuten alles aus, auch private Probleme und Sorgen. So gesehen ist die Schiedsrichterei für mich ein Ausgleich, wie für andere Fußballspielen oder Sport treiben.“ Vorbereitung ist das eine, die Praxis auf dem Platz das andere.

Und auch dort hat sich Besong in den vergangenen Jahren einen eigenen Stil zugelegt, der seiner offenen und kommunikativen Art entgegenkommt. „Jonah ist jemand, der als Schiedsrichter die Sprache der Spieler spricht und eine gute Ausstrahlung hat“, sagt Christof Kandel. Das Mitglied des FVN-Schiedsrichterlehrstabs kennt Besong bereits seit vielen Jahren und verfolgt seinen Werdegang ganz genau. „Mir fällt immer auf, dass er während des Spiels stets versucht, ein gutes Verhältnis zu den Akteuren auf dem Platz zu pflegen. Wir im Verband sagen dazu immer, dass jemand ,im Spiel steht‘, also auf Augenhöhe agiert“, erklärt Kandel. Besong selber beschreibt es so: „Mir ist wichtig, mit allen Beteiligten auf Augenhöhe zu kommunizieren, um auch später knifflige Situationen besser lösen zu können.“

Dass diese Art der Spielleitung nicht nur auf dem Platz positiv wahrgenommen wird, beweist auch ein Blick in die sozialen Medien. Dort finden sich in den Kommentarspalten zu Clips und Postings über den 24-Jährigen meistens positive Resonanzen. Keine Selbstverständlichkeit. Erinnert sei in diesem Zusammenhang an den Bundesliga-Schiedsrichter Felix Zwayer, der in der vergangenen Saison nach der Leitung des Spiels zwischen Borussia Dortmund und Bayern München zur Zielscheibe frustrierter „Fans“ wurde und zahlreiche Hass-Nachrichten erhielt.

Auch Besong, der auf Instagram seine Erlebnisse als Schiedsrichter mit seinen Followern teilt, kennt die Schattenseiten der sozialen Medien, erhielt selbst schon Hass-Nachrichten. Sich damit auseinandersetzen, vermeidet er in der Regel, außer es handelt sich dabei um konstruktive Kritik. Dann kommt es auch schonmal vor, dass er der Person antwortet. In ganz schlimmen Fällen könne er sich aber auch jederzeit an den Verband wenden. „Jeder Schiedsrichter hat im Verband bei solchen Angelegenheiten seinen Ansprechpartner“, erklärt er.

Nur bei einer Sache gibt es für Besong nichts zu diskutieren: Rassismus. Anfang November wurde er im Anschluss des Regionalliga-Spiels zwischen der SG Wattenscheid und Rot-Weiß Oberhausen von einem Zuschauer rassistisch beleidigt. Die Folge: Der junge Schiedsrichter stellte Strafanzeige gegen Unbekannt und fertigte einen Sonderbricht zu dem Vorfall an. Der ehemalige Bundesligist meldete sich daraufhin öffentlich zu Wort und versprach, die Polizei bei der Suche nach dem Täter zu unterstützen – bislang erfolglos.

Bei all den Nebengeräuschen überwiegt für Besong dennoch das Positive am Schiedsrichtersein. Und so wird er weiter seinen Weg gehen. Mit Enthusiasmus und voller Konzentration. Das Thema Schlaflosigkeit überlässt er dann doch lieber Maxi Jazz. Kurz bevor es rausgeht.

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