Europäischer Fußball-Wettskandal Vier Männer auf der Anklagebank

Bochum (RPO). Im bislang größten europäischen Fußball-Wettskandal müssen sich ab Mittwoch (6. Oktober, 9.00 Uhr) vier Männer im Alter von 32, 35 und 55 Jahren vor dem Landgericht Bochum verantworten. In dem ersten Prozess zu dem jüngsten Wettskandal steht neben zwei mutmaßlichen Vertretern der Führungsebene auch ein ehemaliger Profifußballer vor Gericht, der zuletzt für die Würzburger Kickers gespielt haben soll.

54 Fußball-Spiele in Deutschland unter Verdacht
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Foto: ddp

Den Angeschuldigten wird vorgeworfen, in wechselnder Beteiligung im Zusammenwirken mit anderen Personen auf Spieler oder Schiedsrichter eingewirkt zu haben, um den Ausgang von bis zu 17 Fußballspielen in Deutschland und 14 Fußballspielen im europäischen Ausland zu beeinflussen. Dabei schlossen sie Wetten in unterschiedlicher Höhe auf die betreffenden Spielpaarungen bei verschiedenen Wettanbietern ab.

Alle vier Männer befinden sich derzeit in Untersuchungshaft. Laut einem Gerichtssprecher sind sie teilgeständig. Unter den Angeschuldigten, die wegen banden- und gewerbsmäßigen Betruges verantworten müssen, ist auch der Kaufmann Nürettin G. aus dem niedersächsischen Lohne, der nach Medienangaben eine Spielhalle betrieben haben soll. Laut einem Bericht des "Spiegels" vom Wochenende soll G. der Bochumer Staatsanwaltschaft als eine Art Kronzeuge gedient und bei seinen 37 Vernehmungen zwischen Januar und Juli "weit über seinen Tatbeitrag hinaus" ausgesagt haben.

Der in den Skandal ebenfalls verwickelte Ante S., der bereits im Zusammenhang mit der Affäre um den Schiedsrichter Robert Hoyzer zu einer Gefängnisstrafe verurteilt wurde, befindet sich noch nicht unter den künftigen Angeklagten. Er soll nach Medienangaben umfassend ausgesagt haben.

Die Staatsanwaltschaft Bochum macht keine Angaben zu den weiteren Beschuldigten. Es sei allerdings damit zu rechnen, dass "in den kommenden Monaten" weitere Verfahren behandelt werden, sagt Sprecher Gerrit Gabriel. Das jetzt das Verfahren gegen die vier Angeschuldigten beginne, hänge damit zusammen, dass die Ermittlungen gegen das Quartett abgeschlossen seien.

Gewinne von 1,6 Millionen Euro

Der Anklage zufolge sollen die vier Angeschuldigten zusammen mit ihren Mittätern insgesamt rund 370 000 Euro aufgewandt haben, um Spieler oder Schiedsrichter zu bestechen und die Spiele in ihrem Sinne ausgehen zu lassen. Bei den Wetten wurden rund zwei Millionen Euro auf die betreffenden Spielpaarungen gesetzt und dabei Gewinne in Höhe von rund 1,6 Millionen Euro erzielt.

Für den Prozess in Bochum sind zunächst fünf Verhandlungstage angesetzt. Das Urteil soll am 28. Oktober verkündet werden.

Bei dem Deutschen Fußball-Bund (DFB) hofft man darauf, dass der Prozess zu einer "umfassenden Aufklärung" der kriminellen Wettstrukturen beiträgt. Parallel ist die Sportgerichtsbarkeit mit der Aufarbeitung der Vorgänge befasst, weil gegen Spieler Manipulationsvorwürfe erhoben wurden. "Derzeit sind noch 16 laufende Verfahren beim Kontrollausschuss anhängig", erklärt DFB-Sprecher Ralf Köttker. Anders als beim Skandal um den Referee Hoyzer steht diesmal aber kein Schiedsrichter im Mittelpunkt.

Vor allem Türkei und Deutschland betroffen

Das in mehreren europäischen Ländern geführte Verfahren zu dem Wettskandal richtet sich nach Angaben der Staatsanwaltschaft bislang gegen insgesamt mehr als 250 Verdächtige, die rund 270 Spiele im In- und Ausland manipuliert haben sollen. Die meisten der Spiele (74) fanden in der Türkei sowie Deutschland (53) und der Schweiz (35) statt. Nach Angaben der Ermittler belaufen sich die ermittelten Wetteinsätze bei den verdächtigen Spielen zusammen auf rund zwölf Millionen Euro. Die Bestechungsgelder für Schiedsrichter, Spieler und weitere Beschuldigte sollen rund 1,5 Millionen Euro betragen. Die Gewinne aus den Wettmanipulationen liegen bei etwa 7,5 Millionen Euro.

Von den Ermittlungen zum Fußball-Wettskandal sind nach Medienangaben in Deutschland mehr Zweitligapartien betroffen als zunächst angenommen. Laut dem ARD-Magazin "Fakt" soll es vor allem beim Zweitligisten VfL Osnabrück Manipulationen gegeben haben. Demnach sollen einige Kicker des Vereins acht Punktspiele und ein Freundschaftsspiel verschoben haben. Die Staatsanwaltschaft Bochum wollte den Bericht nicht kommentieren. Nach Angaben des Magazins stehen 13 Spiele der Zweiten Liga sowie etliche Spieler unterklassiger Ligen unter Verdacht - darunter auch Zweitliga-Spiele unter Beteiligung der NRW-Vereine RW Oberhausen, RW Ahlen und Alemannia Aachen. Partien aus der ersten Bundesliga sind nach jetzigem Erkenntnisstand nicht betroffen.

(apd/bto)
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