Vernehmung in Zürich Schweiz eröffnet Strafverfahren gegen Fifa-Präsident Blatter

Zürich · Sepp Blatter ist am Ende, die Festung Fifa scheint zu fallen: Die Schweizer Justiz ermittelt nun auch gegen den einst allmächtigen Fifa-Präsidenten und hat zudem den Uefa-Chef Michel Platini wegen einer fragwürdigen Überweisung vernommen. Das teilte die Bundesanwaltschaft am Freitag mit. Blatter wurde verhört, sein Büro durchsucht.

Die Chronologie zur Korruptionsaffäre bei der Fifa
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Foto: dpa

Im Korruptionsskandal wird der Schweizer (79) damit erstmals auch persönlich für die kriminellen Machenschaften in seinem Imperium juristisch zur Verantwortung gezogen. Eine Fortsetzung seiner Präsidentschaft bis zum geplanten Abtrittstermin 26. Februar 2016 erscheint undenkbar. Die Folgen für den Franzosen Platini, der als "Auskunftsperson" angehört wurde, und dessen Kandidatur für Blatters Nachfolge sind noch nicht abzusehen.

Es bestehe der Verdacht, dass Blatter im September 2005 mit der Karibischen Fußball-Union (CFU) einen für die Fifa ungünstigen Vertrag abgeschlossen habe. Zudem soll er bei der Umsetzung des Vertrages "in Verletzung seiner Treuepflichten gegen die Interessen der Fifa" verstoßen und 2011 eine "treuwidrige Zahlung" an Platini geleistet haben. Die Höhe: Zwei Millionen Schweizer Franken.

Blatters Anwälte wiesen die Vorwürfe zurück. "Wir sind zuversichtlich, dass die Schweizer Behörden zu dem Schluss kommen werden, dass dieser Vertrag ordnungsgemäß vorbereitet und verhandelt wurde", sagte Richard Cullen von der Kanzlei McGuireWoods, die den Fifa-Präsidenten vertritt, der New York Times. "Es hat zweifellos kein Missmanagement gegeben."

Im September hatte das Schweizer Fernsehen SRF von einem Vertrag berichtet, der die Unterschriften Blatters und des damaligen Concacaf-Chefs Jack Warners trägt. Dabei geht es um die TV-Rechte für die WM-Endrunden 2010 in Südafrika und 2014 in Brasilien, welche für insgesamt 600.000 Dollar (250.000 bzw. 350.000 Dollar) an die CFU veräußert wurden. Diese Summe lag offensichtlich weit unter dem Marktpreis.

Blatter wurde am Freitag von Vertretern der Bundesanwaltschaft der Schweiz im Anschluss an die Sitzung der Fifa-Exekutive in Zürich als Beschuldigter einvernommen. Platini wurde gleichzeitig als Zeuge befragt. Platini ist seit 2007 Uefa-Präsident und sitzt seit 2002 im Fifa-Exekutivkomitee. Früher galt der Franzose als Blatter-Zögling und -Freund, ehe es zum Bruch kam.

Die Bundesanwaltschaft führte zudem mit Unterstützung der Bundeskriminalpolizei (BKP) eine Hausdurchsuchung bei der Fifa in Zürich durch. Dabei wurde auch das Büro des FIFA-Präsidenten durchsucht und Datenmaterial sichergestellt. Die Fifa sicherte den Behörden in einer knappen Stellungnahme die volle Unterstützung zu.

Zuvor hatte die Fifa eine geplante Pressekonferenz mit Blatter ohne Angabe von Gründen platzen lassen. Es wäre das erste Mal seit der Suspendierung des Fifa-Generalsekretärs Jerome Valcke und überhaupt das erste Mal seit über zwei Monaten gewesen, dass der taumelnde Fifa-Boss gesprochen hätte. Die Fifa hatte den Termin offiziell bestätigt.

Die Absage, die um 14.50 die Presse erreichte, kam völlig überraschend. Zuvor hatte der Weltverband die Fragerunde um eine Stunde verschoben — und die gut 15 Kamerateams weiter vom Eingang des Hauptgebäudes weg gebeten.

Der Generalsekretär Valcke war in der vergangenen Woche unter dem Verdacht der persönlichen Bereicherung beim Verkauf von WM-Tickets suspendiert worden. Über seinen Anwalt hatte der Franzose alle Anschuldigungen vehement zurückweisen lassen.

"Es ist ein laufendes Verfahren, hier gilt die Unschuldsvermutung", sagte Wolfgang Niersbach, Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), der auch an der Exekutiv-Sitzung am Freitag teilnahm: "Das war nur ganz kurz ein Thema, in dem er (Blatter, d. Red.) herausgestellt hat, dass Valcke als Generalsekretär vorübergehend von seinen Pflichten entbunden ist. Es sind keine weiteren Details gesagt worden."

Keine großen Fortschritte wurden auch für die Ethikkommission erzielt, die weiterhin zum Stillschweigen verpflichtet ist. Das Exko erklärte am Freitag zwar "grundsätzlich" seine Unterstützung, den entsprechenden Artikel 36 im Ethikcode zu lockern - das Gremium gab den Fall zur "Beratung" aber an die Fifa -Kommission für rechtliche Angelegenheiten weiter.

Wegen dieses Abschnitts im Ethikcode ist es den unabhängigen Ermittlern bislang verboten, zu laufenden Verfahren oder nicht rechtskräftigen Entscheidungen Stellung zu nehmen. Die Kommission mit dem deutschen Richter Hans-Joachim Eckert, der der rechtsprechenden Kammer vorsitzt, hatte zuletzt vehement eine Lockerung des Artikels 36 gefordert. Eine Entscheidung wird nun erst bei der nächsten Sitzung des Exkos im Dezembers fallen — sofern die Fifa überhaupt handlungsfähig sein wird, was mehr als fraglich ist.

"Die Nachricht macht mich fassungslos", sagte Wolfgang Niersbach, Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), der auch an der Exekutiv-Sitzung am Freitag teilnahm: "In der Sitzung ist das mit keiner Silbe erwähnt worden. Ich habe das Fifa-Gebäude in dem Glauben verlassen, dass sich Sepp Blatter in der angesetzten Pressekonferenz zur aktuellen Lage äußern wird." So weit kam es aber nicht — um exakt 16.22 Uhr platzte die Bombe.

(dpa/sid)
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