Guardiolas Schatten verschwindet Barcelonas Luis Enrique baut an seinem eigenen Denkmal

Noch der Sieg im Champions-League-Finale, und Luis Enrique würde endgültig aus dem langen Schatten von Pep Guardiola treten. Der Trainer hat den FC Barcelona wieder an die Spitze geführt.

 Nach Meisterschaft und Pokal winkt Luis Enrique in seiner Premierensaison als Barca-Trainer das Triple.

Nach Meisterschaft und Pokal winkt Luis Enrique in seiner Premierensaison als Barca-Trainer das Triple.

Foto: ap, AF

Nach zwei gewonnenen Titeln holt Luis Enrique für die Stars des FC Barcelona das Zuckerbrot heraus. Entgegen seiner sonstigen Gewohnheit will der Trainer den Spielerfrauen erlauben, vor dem Champions-League-Finale am Samstag in Berlin gegen Juventus Turin im Teamhotel zu übernachten. Der autoritäre Enrique hat gelernt, Lionel Messi und Co. Freiräume zu lassen. Auch deshalb winkt ihm in seiner Premierensaison das Triple - und damit das Ende des lästigen Vergleichs mit Pep Guardiola.

"Wir haben zwei Titel gewonnen, jetzt wollen wir den dritten", sagte der Meistertrainer nach dem 3:1-Finalsieg im spanischen Pokalwettbewerb gegen Athletic Bilbao: "Wir werden versuchen, unser Ziel zu erreichen und erneut Geschichte zu schreiben."

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Das Triple hatte bei Barca zuletzt Guardiola 2009 gewonnen, ebenfalls in seiner ersten Saison als Trainer. Der heutige Bayern-Coach holte im selben Jahr noch den nationalen sowie den UEFA-Supercup und die Klub-WM und hinterließ bei seinem Abschied drei Jahre später Fußstapfen, die selbst für die Besten zu groß schienen. Bis sein früherer Mitspieler Enrique kam. Der 45-Jährige modifizierte das von Johan Cruyff geprägte "Barcelonismo", und er machte dadurch den FC Barcelona nach zwei verlorenen Jahren wieder zu dem, was es unter Guardiola war: eine Fußball-Großmacht.

Dabei stand Enrique im Januar noch kurz vor der Entlassung. Das impulsive Alphatier, das vor keiner Auseinandersetzung zurückschreckt, fand mit seiner forschen und fordernden Art keinen richtigen Draht zur Mannschaft. Vor allem das Verhältnis zum sensiblen Ausnahmekönner Messi war getrübt.

Nachdem Enrique den Argentinier im ersten Spiel des Jahres in San Sebastian wegen eines eigenmächtig verlängerten Weihnachtsurlaubs auf die Ersatzbank gesetzt hatte und die Partie auch noch mit 0:1 verloren gegangen war, schienen die Tages des Trainers gezählt. Doch es kam anders. Superstar und Coach rauften sich zusammen, was in der Mannschaft für einen Energieschub sorgte. "Das Team hat seine Einstellung geändert", sagte Messi: "Deswegen spielen wir so, wie wir jetzt spielen."

Fernschüsse und lange Bälle sind nicht mehr tabu

Auch unter Enrique ist das Barca-Spiel auf Ballbesitz und Kurzpässe ausgelegt, doch es wird nicht so dogmatisch umgesetzt wie noch unter Guardiola. Fernschüsse und lange Bälle sind nicht mehr tabu, sondern legitime taktische Mittel. Zum Nachteil für die Offensive ist das nicht: Messi (58 Tore) und seine Sturmpartner Luis Suarez (24) und Neymar (38) kommen wettbewerbsübergreifend auf 120 Tore. Das "MSN"-Trio überbot die bisherige Bestmarke von 118 Treffern von Real Madrids Sturmreihe Cristiano Ronaldo, Karim Benzema und Gonzalo Higuain (2011/12).

Gleichzeitig steht die Defensive deutlich stabiler, das bekam auch Guardiola beim Halbfinal-Aus in der Champions League mit den Bayern zu spüren. Guardiola hatte bei seinem Amtsantritt 2008 dafür gesorgt, das Enrique Trainer der zweiten Barca-Mannschaft wird. Dort sammelte der Nordspanier erste Erfahrungen. Nach einem missglückten Engagement beim AS Rom, wo er sich einen aussichtslosen Machtkampf mit Klub-Ikone Francesco Totti lieferte, deutete er bei Celta Vigo sein Trainertalent an.

Sollte Enrique in Berlin tatsächlich das Triple perfekt machen, glauben manche Insider an einen frühen Abgang des 62-maligen Nationalspielers ins Ausland. Dann müsste ein anderer versuchen, aus dem langen Schatten des Vorgängers zu treten. Aber es wäre nicht mehr Guardiolas Schatten.

(sid)
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