FC United of Manchester und Co. Gallische Dörfer im Fußballgeschäft

Berlin · Es sind diese Geschichten, die den letzten Fußball-Romantikern noch Hoffnung geben. In Zeiten, in denen die Rooneys und Ronaldos ohne Murren Strafen in sechsstelliger Höhe zahlen und die Magaths und Mourinhos Spieler für Millionenbeträge kaufen und verkaufen, sind Vereine wie der AFC Wimbledon oder Austria Salzburg die gallischen Dörfer im vom Geld korrumpierten Fußballgeschäft.

 Der Tag, an dem der AFC Wimbledon wieder die vierte Liga erreichte.

Der Tag, an dem der AFC Wimbledon wieder die vierte Liga erreichte.

Foto: Screenshot Youtube

Denn einige der aus Protest gegen die Kommerzialisierung vor wenigen Jahren gegründeten fangetragenen Vereine stehen vor der Rückkehr ins Establishment - ganz ohne millardenschwere Ölscheichs oder dubiose russische Oligarchen.

"Wimbledon hat endlich wieder den Status, der ihnen vor neun Jahren so schändlich gestohlen wurde", hieß es auf der Seite des AFC Mitte Mai 2011, als der 2002 gegründete Verein nach fünf Aufstiegen in neun Jahren wieder die vierte Liga erreichte - und in Englands Profifußball zurückkehrte.

In einer einzigartigen Aktion hatten die Anhänger des traditionsreichen Wimbledon FC damals den AFC gegründet. Zuvor hatte der englische Verband FA dem "Umzug" des insolventen FC ins knapp 100 Kilometer entfernte Milton Keynes zugestimmt. Gegen den Willen der Fans, gegen die Tradition - für einen finanzstarken Investor.

Doch die Fans gaben nicht auf, gründeten den AFC und starteten in der neunten Liga, der "Combined Counties League". Ganz unten, aber mit viel Enthusiasmus. Der Verein gehört einer fangetragenen Gesellschaft, in der jedes Mitglied genau eine Stimme hat. Die erste Mannschaft wurde gecastet und der Aufstieg begann.

"Wer auch nur einen von uns bekämpft, bekämpft uns alle. Wir haben eine Legende geschaffen, haltet die Legende am Leben", ließ Klub-Idol Vinnie Jones die Anhänger nach dem Aufstieg wissen. "The Axe" Jones, in den 80er Jahren Anführer der wegen ihres - noch höflich formuliert - überharten Spielstils "crazy gang" genannten Mannschaft des Wimbledon FC, spendete auch gleich seine Pokalsieger-Medaille von 1988. Mittlerweile hat der Verein sogar ein eigenes Stadion, 30 Mannschaften - und ein großes Ziel: Noch ein Aufstieg und es käme zum Duell mit den verhassten Milton Keynes Dons.

Das Feindbild der Salzburger Austria-Fans ist dagegen Getränkemilliardär Dietrich Mateschitz. Der übernahm 2005 den UEFA-Cup-Finalisten von 1994 und krempelte den Klub um. Komplett. Neuer Namen, neues Wappen, neue Vereinsfarben: alles für die "Corporate Identity" Red Bulls. Während der Spiele wurde Disco-Musik eingespielt, bezahlte Animateure zeigten dem neuen Publikum, wie man "richtig" zu jubeln hat: Event- statt Fußballkultur.

Die Fans rebellierten und bekamen Unterstützung von allen Seiten. Selbst die Ultras des Erzrivalen Rapid Wien solidarisierten sich - in etwa vergleichbar, als wenn Schalke und Dortmunder Fans zusammen gegen die Umbenennung in Gazprom Gelsenkirchen demonstrieren würden. Ähnlich wie in England gründeten die violett-weißen Salzburger den Sportverein Austria Salzburg. Der spielt nach vier Aufstiegen wieder drittklassig.

Einen solchen Aufstieg hat der FC United of Manchester, der wohl bekannteste Amateurverein der Welt, noch vor sich. Die Abspaltung von Manchester United spielt derzeit in der siebten Liga. 2005 protestierten enttäuschte Anhänger mit der Neugründung des englischen Rekordmeisters gegen die Übernahme durch den US-amerikanischen Geschäftsmann Malcom Glazer, der Verein genießt fast weltweit Kultstatus.

Trikotsponsoren sind laut Vereinsmanifest verboten, das Geld für ein neues Stadion soll durch eine Fananleihe kommen. Ganz nach dem Motto des wohl bekanntesten Fangesangs des Vereins: "Malcolm Glazer, wherever you may be: you've bought Man United, but you'll never buy me!" Denn eins wollen die Vereine nicht sein: käuflich.

(sid)
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