„Deutschland kann noch schlimmer werden“ Italiens schwieriger Neustart

Bologna/Köln · Ein Klassiker als Stunde null: Das Nations-League-Duell mit dem alten Rivalen Deutschland wird für Fußball-Europameister Italien ein Neustart aus Ruinen.

 Italiens Nationaltrainer Roberto Mancini (r.) schaut seinen Spielern während einer Trainingseinheit zu.

Italiens Nationaltrainer Roberto Mancini (r.) schaut seinen Spielern während einer Trainingseinheit zu.

Foto: AP/Frank Augstein

Deutschland hat 83 Millionen Bundestrainer, die Hansi Flick hinter sich bringen muss. Das nicht minder fußballverrückte Italien zählt immerhin 59 Millionen Selezionatori – darunter eine ältere Dame, die den angeschlagenen Nationalcoach Roberto Mancini auch in diesen schwierigen Zeiten verteidigt wie eine Löwin.

„Roberto vollbringt keine Wunder. Er spielt mit dem, was er zur Verfügung hat“, sagte Marianna Puolo bei Radio Rai 1 und kam zu einem eindeutigen Schluss: „Aus dem Nachwuchs kommt zu wenig!“ Puolo, das muss man hinzufügen, ist die Mutter von Europameistertrainer Mancini – und qua Erbgut für italienische Medien eine gefragte Ansprechpartnerin, nicht erst in Zeiten des Umbruchs.

Dass die rüstige Dame auch hart mit ihrem Roberto ins Gericht gehen kann, bewies sie im März. Nach dem Aus in der WM-Qualifikation durch das blamable 0:1 gegen Nordmazedonien kritisierte sie seine Personalentscheidungen harsch. Ihr Filius hätte besser Skandalnudel Mario Balotelli nominieren und EM-Star Jorginho auf der Bank lassen sollen, wetterte sie.

Insofern spiegelt Marianna Puolo vor dem Nations-League-Auftakt gegen Deutschland in Bologna (Samstag, 20.45 Uhr/RTL) ganz gut die Stimmungslage wider im Land des viermaligen Fußball-Weltmeisters: Die Emotionen kochen hoch.

„Die Gefahr weiterer Flops für die Squadra ist groß“, schrieb die mächtige Gazzetta dello Sport und erinnerte an das 0:3 gegen Argentinien am Mittwoch im Duell der Kontinentalmeister Südamerikas und Europas. Das Spiel gegen Deutschland könne „noch schlimmer werden“, unkte Italiens Sportorgan Nummer eins.

Der gegen Argentinien in Ehren verabschiedete EM-Held Giorgio Chiellini ist vor dem Duell mit der DFB-Elf ebenso aus dem Trainingslager abgereist wie die langjährigen Stützen Jorginho, Marco Verratti oder Federico Bernardeschi. Für die vier Nations-League-Spiele gegen Deutschland im Stadio Renato Dall'Ara sowie am 14. Juni in Mönchengladbach, gegen Ungarn (7. Juni) und in England (11. Juni) hat Mancini einige jüngere Kräfte und auch ein paar Debütanten nominiert.

Nach der zweiten verpassten WM-Qualifikation in Folge ergibt dies Sinn, doch große Experimente kann sich der 57-Jährige kaum erlauben. Von einer „entscheidenden Prüfung für dieses Italien, dessen Stimmung und Prestige immer mehr in den Keller sinken“, schrieb die Gazzetta.

Und so wirkt Mancini, der von der „spannendsten und schwierigsten Nations-League-Gruppe“ sprach, wie ein Trainer in der Schwebe. Vor dem Vergleich mit Deutschland, gegen das Italien zuletzt vor 36 Jahren daheim verloren hat, warb Mancini um „Zeit und Geduld“. Dass er zunehmend kritisch gesehen wird, lässt ihn nach eigener Aussage kalt: „Wenn man verliert, sind alle gegen den Coach. Das ist ganz normal.“

Für Flick ist Italien in der aktuellen Phase eine große Unbekannte. „Es ist nicht einfach, diesen Gegner vorauszusagen“, äußerte der Bundestrainer. Seinem Gegenüber Mancini zollte er großen Respekt. Bei der letztjährigen EM sei er „Fan des Teamgeists gewesen“, den die Italiener ausgestrahlt hätten, sagte Flick. Er sei „überrascht“ gewesen, dass die Azzurri sich nicht für Katar qualifiziert haben.

(lonn/SID)
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