Der Präsident und der Fifa-Skandal Blatter wird bleiben — solange er es will

Zürich · Sepp Blatter sieht sich auf Augenhöhe mit Staats- und Regierungschefs. Man könne ihn nicht bremsen, sagt er über sich selbst.

Die Fifa-Skandale unter Sepp Blatter
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Es gibt da diesen Satz von Sepp Blatter. Er hat ihn 1998 vor der Fußball-WM in Frankreich gesagt: "23 Jahre bei der Fifa sind genug", verkündete er. Damals war er Generalsekretär des Weltverbandes. "Ich strebe nicht die Nachfolge von João Havelange als Präsident der Fifa an." Ein paar Monate später hat es sich der Schweizer offensichtlich anders überlegt. 17 Jahre und zahlreiche Skandale später ist er noch immer der mächtigste Funktionär — und vieles spricht dafür, dass er es auch nach der heutigen Wahl sein wird. Blatter ist die Fifa.

Wenn Joseph "Sepp" Blatter in eines der derzeit 209 Mitgliedsländer der Fifa reist, dann wird der Präsident wie ein Staatsgast empfangen. Das ist ganz nach seinem Selbstverständnis. Die Fifa hat mit der Weltmeisterschaft als globaler Marke ein mächtiges Unternehmen aufgebaut. Sepp Blatter hat das getan. Es geht um Einfluss, es geht vor allem um viel Geld. Blatter macht ganz gezielt Politik nach einer simplen Logik: Füttre heute, was dich morgen nährt. Dabei sieht sich der 79-Jährige auf Augenhöhe mit Staats- und Regierungschefs.

Blatter ist geboren in Visp, im Schweizer Kanton Wallis. Von 1948 bis 1971 hat er in der höchsten Amateurliga der Eidgenossen gespielt. Er sei ein zäher Hund gewesen. "Ich bin eine Walliser Berggeiß, die immer läuft und läuft und läuft. Man kann mich nicht bremsen. Ich gehe immer weiter", hat er neulich der "NZZ" verraten. Er hat dieses Bild nicht zum ersten Mal benutzt.

Der Vergleich aus der alpinen Tierwelt hat es ihm offenbar angetan. Er soll seine Beharrlichkeit veranschaulichen. Sowieso dieses Wallis: Es heißt, die Walliser müssen sich seit jeher gegen die Deutschschweizer, gegen die Frankophonen und gegen die Italiener wehren. Wer zu Blatters Jugendzeit dort überleben wollte, musste mit bescheidenen Mitteln auskommen. Er musste schlitzohrig, seinem Gegner immer einen Schritt voraus sein.

Vor 37 Jahren beginnt die Karriere des einstigen Journalisten bei der Fifa. Er kümmert sich um die Entwicklungsprogramme und initiiert Turniere für Junioren und Frauen. Für ihn zahlt sich das schnell aus. Er knüpft Verbindungen. Zunächst an der Basis, bei den zahlreichen untergeordneten Funktionären der Mitgliedsverbände. Manche sind mit ihm gemeinsam aufgestiegen. Aber niemand so hoch wie er. Wer sich gegen ihn stellt, den drängt er bisweilen auch unsanft aus dem inneren Zirkel. Die Mehrheit unterstützt ihn artig.

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Nach sechs Jahren in Diensten der Fifa wird er ihr Generalsekretär. Schon da ist er der mächtige Strippenzieher. Er bestimmt die Politik des Verbandes. Er hat das Einmaleins des Machterhalts schnell gelernt und mit den Jahren bis zur Perfektion verfeinert: Er würde selbst ein Bündnis mit dem Teufel eingehen, wenn es sich sportpolitisch für ihn auszahlt.

Als Generalsekretär ist er bereits am Schalter der Macht. Aber er will ganz nach oben. Seine Seilschaften tragen ihn schließlich ins Amt des Präsidenten. Korruptionsvorwürfe begleiten schon seine erste Wahl 1998. Der englische Autor David Yallop behauptet, dass Blatter 22 Stimmen für je 50.000 US-Dollar gekauft habe. Der somalische Delegierte Farah Addo spricht sogar von 100.000 Dollar. Ein Schweizer Gericht verurteilt ihn dazu, die Aussage nicht zu wiederholen. Widerrufen muss er sie allerdings nicht.

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Nach seiner Wahl 2002 wählt Blatter eine besondere Form der Machtdemonstration. Wochenlang war er öffentlich attackiert worden. "Ich wurde beschuldigt, was für ein schlechter Mensch ich sei. Aber ihr alle könnt ja nicht so schlecht sein, dass ihr einen schlechten Menschen zum Präsidenten macht. Deshalb sind wir alle gut. Fasst euch alle an die Hände. Tut es für die Einigkeit des Fußballs. Tut es für den Fußball." Ein paar Hundert Delegierte stehen auf und fassen sich an die Hände. Es ist der Moment, an dem seine Gegner verstanden haben: Der Pate, das ist Joseph "Sepp" Blatter. Es ist seine Familie. Es ist seine Organisation. Es ist sein Geschäft. Wer nicht nach seinen Regeln spielen will, wird ausgeschlossen.

Drei Tage vor den Wahlen 2011 wird Blatters Gegenkandidat Mohammed bin Hammam suspendiert. Der Katarer hat in der karibischen Konföderation unter dem mittlerweile verhafteten Jack Warner angeblich versucht, Stimmen zu kaufen — illegal. Blatter hat in dieser Region ebenfalls investiert. Er ließ gleich eine Million Euro in die Karibik als Spende überweisen. In einer späteren Aufarbeitung der Vorfälle wurde dies als völlig legal eingestuft. Blatter ist nicht anders als seine Gegner, er ist besser. "Sepp Blatter hat diese Gabe", sagte Theo Zwanziger, ehemaliges Mitglied der Fifa-Exekutive, vor einiger Zeit im Interview mit unserer Zeitung. "Er kennt von jedem in einem Raum den Namen. Er weiß, wie die Kinder heißen und wann die Ehefrau eines Delegierten Geburtstag hat."

Niemand macht etwas, was nicht in seinem Sinne ist. "Ich weiß, viele halten mich für ultimativ verantwortlich für die Handlungen unserer globalen Fußball-Familie — egal ob es um die WM-Gastgeber geht oder um Korruptionsskandale. Aber wir können nicht jeden überwachen. Wenn jemand etwas falsch machen will, kann er unentdeckt bleiben." Und dann sagt er noch: "Wir müssen jetzt damit beginnen, das Vertrauen in unsere Organisation wiederherzustellen. Der Fußball verdient mehr. Wir müssen antworten. Wir haben die Möglichkeit, einen neuen Weg einzuschlagen und das Vertrauen wiederherzustellen. Wir müssen uns das verdienen."

Blatter wird Präsident dieser Fifa bleiben — solange er es will.

(RP)
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