Fifa-Präsident wiedergewählt Deutschlands halbherzige Distanz zu Blatter

Zürich/Berlin · Es hat lange gedauert, bis sich der deutsche Fußball gegen den Fifa-Präsidenten stellte. Ein starkes Zeichen blieb damit aus. Der britische Regierungschef David Cameron hat gezeigt, wie es geht.

FIFA: Sepp Blatter feiert seine Wiederwahl als Präsident
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Blatter feiert seine Wiederwahl

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Foto: afp, mbh//nb

Sepp Blatter war "gerührt und berührt" nach seinem Besuch im Bundeskanzleramt. So sagte er es. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte ihm im Auftrag von Bundespräsident Horst Köhler das Bundesverdienstkreuz verliehen. "Träger einer so großen Auszeichnung zu sein, erfüllt mich mit Stolz und Emotionen", sagte der Präsident des Fußball-Weltverbands Fifa bei der Zeremonie, die kurz vor dem Endspiel der WM 2006 stattfand. Weite Teile des politischen Deutschlands waren Blatter für das Sommermärchen dankbar. Dabei hatte doch der Schweizer sechs Jahre zuvor vehement versucht, Deutschland als Gastgeber zu verhindern und Südafrika durchzusetzen.

Blatter war lange Zeit ein gern gesehener Gast in Deutschland. Zum Beispiel im Frühling vergangenen Jahres, als er bei Borussia Mönchengladbach vorbeischaute, den Klub als gelungenes Beispiel für die "soziale Verantwortung des Sports" feierte und ankündigte, eine fünfte Amtszeit anzustreben.

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Pressestimmen zu Blatters Wiederwahl

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Ganz sicher hat sich im neuesten Korruptionsskandal die Zahl seiner Gegner erhöht — auch in Deutschland. In Europa gab es schon eine, allerdings vornehme Opposition, die von Zeit zu Zeit durch Michel Platini, den Präsidenten des europäischen Verbands Uefa, angeführt wird. Jetzt hat Platini versucht, Blatter zum Amtsverzicht zu bewegen. Jener Platini übrigens, der seinen Sohn Laurent bei einem Unternehmen im künftigen WM-Gastgeber-Emirat Katar beruflich gut versorgt weiß.

Die Deutschen haben endlich ebenfalls Mut zu klaren Äußerungen gefasst, nicht allein in der Politik, die sehr einhellig Blatters Ablösung verlangt. Die Bundeskanzlerin konnte sich — anders als der britische Regierungschef David Cameron - nicht dazu durchringen, die Fifa zur Abwahl ihres Langzeit-Präsidenten aufzurufen. Am Ende gab es immerhin eine klare Aussage: "Die schmutzige Seite muss aufgeräumt werden, und zwar dringend", sagte Merkel.

Der mit allen Wassern gewaschene DFB-Präsident Wolfgang Niersbach stellte in Zürich fest: "Wir haben einen Punkt erreicht, an dem ein positives Image der Fifa nur über einen personellen Wechsel an der Spitze möglich ist." Seinen Platz im Exekutivkomitee, der Weltregierung des Fußballs, hat er dennoch eingenommen und von Blatter eine Ehrennadel bekommen. Nach der Verleihung lächelten der deutsche und der internationale Präsident Seit an Seit in die Objektive der Fotografen. Das Bild ist ein Sinnbild dafür, wie halbherzig der deutsche Fußball auf Distanz zur Fifa geht.

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Foto: dpa, pse hak

Der Ligaverband, die Vertretung der Profiklubs, stützt ihn in dieser Absicht. "Es ist richtig, dass er im Exekutivkomitee die deutschen Interessen vertritt und sich gleichzeitig für bitternötige Veränderungen einsetzt", sagt dessen Präsident Reinhard Rauball. Er hat ebenfalls die Ablösung von Sepp Blatter verlangt. "Gerade angesichts der ungeheuerlichen Entwicklungen ist es geboten, dass sich der deutsche Fußball weiterhin klar positioniert — das sollte auch innerhalb der Gremien geschehen."

"Der Sumpf muss trockengelegt werden"

Die Deutschen waren nicht immer so forsch in ihrem Auftreten gegenüber dem Weltverband. Korruptionsaffären, die es schon früher gab, wurden als persönliche Fehltritte interpretiert und häufig mit dem Hinweis auf eine allgemeine Unschuldsvermutung gar nicht erst kommentiert. Dass die US-Justizministerin Loretta Lynch Korruption in der Fifa als "systemimmanent" bezeichnet, ist ein Vorwurf von neuer Qualität. Auch deshalb betonte der ehemalige DFB-Präsident Theo Zwanziger im Gespräch mit unserer Redaktion: "Der Sumpf muss trockengelegt werden." Und es sei nicht allein mit der Ablösung von Blatter getan. Zum Kongress nach Zürich ist Zwanziger gar nicht gereist. "Mit dem Zirkus" habe er nichts mehr zu tun.

Selbst Fifa-Wegbegleiter mit einem guten Gedächtnis können sich nicht erinnern, aus Deutschland je derart harte Töne vernommen zu haben. Vielleicht liegt das auch daran, dass der DFB vor nicht allzu langer Zeit selbst Ausrichter einer Weltmeisterschaft war.

Jetzt sind die Deutschen Teil der Opposition gegen Blatter und "seine Fifa", und sie reden vorneweg Veränderungen das Wort. Aber selbst die (laut)starke Anti-Blatter-Fraktion in den deutschen Spitzenklubs hat die Fifa bislang nicht einmal in Ansätzen erschüttert. Hin und wieder gab es deftige Kritik an Blatter. Zum Beispiel 2012, als der damalige Bayern-Präsident Uli Hoeneß feststellte, "dass schon aus größten Freunden die größten Feinde geworden sind. Wenn man keinen Dreck am Stecken hat, passiert so etwas nicht."

Die Deutschen und die europäischen Verbände haben in Zürich nun die Möglichkeit verpasst, ein starkes Zeichen zu setzen. Wenn sie den Kongress verlassen hätten, wären die Mehrheitsverhältnisse zwar nicht nachhaltig beeinflusst worden. Aber die Öffentlichkeit hätte die Gegenbewegung innerhalb der Fifa zur Kenntnis genommen. Nächste Woche gibt es die nächste Chance. Die Uefa trifft sich am Rande des Champions-League-Endspiels in Berlin. Dort will sie darüber beraten, ob Europa Fifa-Wettbewerbe boykottiert. Das hat Platini schließlich versprochen.

(RP)
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