Verwirrspiel im Fifa-Skandal Enthüllungs-Pressekonferenz abgesagt

Zürich (RPO). Ein Aufruf zur Revolution, ein undurchsichtiges Kriminalstück um eine brisante Pressekonferenz: Im Vorfeld der Präsidentenwahl des Fußball-Weltverbandes Fifa ging es am Dienstag vor und hinter den Kulissen weiter drunter und drüber.

Sepp Blatter: 17 Jahre an der Spitze der Fifa
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Foto: dapd, Alessandro Della Bella

Der englische Fußball-Verband FA ging öffentlich auf Konfrontationskurs zu Amtsinhaber Joseph S. Blatter und forderte eine Verlegung der für Mittwoch angesetzten Wahl. Zugleich fiel eine Pressekonferenz, auf der ein ehemaliger hochrangiger Fifa-Offizieller seine Beweise für eine Bestechung im Zusammenhang mit der Vergabe der WM 2022 an Katar vorlegen wollte, nach eigenartigen Vorfällen zunächst aus.

Das Schweizer Internetportal "20 Minuten" zitierte einen norwegischen Journalisten: "Wir machen es wie alle anderen. Wir warten und wissen mehr oder weniger nichts". Ein deutscher Medienvertreter sagte dem Bericht zufolge: "Ich habe das Gefühl, dass es hier Leute hat, die es wissen müssten, wenn an einem anderen Ort etwas wäre. Deshalb bleibe ich hier." Nach einer weiteren tatenlosen halben Stunde zogen die meisten Journalisten jedoch ab.

Die rebellische FA rief am Dienstag zu einer wahren Revolution gegen Fifa-Präsident Blatter auf; Blatter ist der einzige Kandidat für die Wahl. FA-Präsident David Bernstein bat in einem Statement um Unterstützung für zwei Initiativen seines Verbandes: Zuerst solle die Wahl verschoben und dem Prozess Glaubwürdigkeit verliehen werden, um einem "reformorientierten Kandidaten" die Gelegenheit zu einer Kandidatur zu geben.

Externes Kontrollorgan

Zudem regte er die Einrichtung eines externen Kontrollorgans an, wie es auch DFB-Präsident Theo Zwanziger gefordert hatte. Bernstein sprach von einer "sehr schädlichen Zeit für den Ruf der Fifa und somit für den ganzen Fußball".

Die Verhältnisse bei der Fifa sehen inzwischen auch deren Großsponsoren mit Sorge. "Die immer wiederkehrenden Vorwürfe sind weder gut für das Ansehen des Fußballs noch für die Fifa selbst", sagte Oliver Brüggen, Sprecher des deutschen Sportartikelherstellers adidas, dem SID.

Konsequenzen ergäben sich daraus nicht, ergänzte er: "Die Vorfälle ändern nichts an unserer Zusammenarbeit, die auf der Faszination des Fußballs als Sport basiert." Deutlicher wurde Coca-Cola. Das Unternehmen forderte die Fifa auf, alle Bestechungsvorwürfe schnellstmöglich und vollständig aufzuklären. "Die Anschuldigungen sind erschütternd und schlecht für den Sport", sagte Sprecher Petro Kacur.

Die Konkretisierung der Vorwürfe ließ zunächst auf sich warten. Die für Dienstagnachmittag angekündigte Pressekonferenz, auf der ein früherer, deutschsprachiger Fifa-Offizieller seine Bestechungsvorwürfe mit Dokumenten untermauern wollte, kam zunächst nicht zustande.

Bereitstellung verweigert

Angeblich hatte das Züricher Nobelhotel The Dolder Grand, in dem die Veranstaltung stattfinden sollte, kurzfristig die Bereitstellung eines Saales verweigert. Zugleich war eine offenbar gefälschte E-Mail im Umlauf, in der ein hoher Beamter der Schweizer Justiz eine Absage der angeblichen Enthüllungs-Pressekonferenz forderte und für den Fall der Zuwiderhandlung rechtliche Schritte androhte.

Folco Galli, Sprecher des Schweizer Bundesamtes für Justiz, bezeichnete die E-Mail an die Emissäre des ehemaligen Fifa-Offiziellen als "nicht authentisch". Vielmehr habe Ernst Gnägi, Leiter des Dienstes für Internationales Strafrecht, sein Haus in seiner Antwort für nicht zuständig erklärt und an die Schweizer Ermittlungsbehörden verwiesen.

Galli bestätigte zugleich, dass beim Bundesamt für Justiz zuvor eine E-Mail eingegangen war, in der gewissermaßen um Amtshilfe gebeten wurde. Der Absender behauptete, er besitze Dokumente, die die Bestechung im Zusammenhang mit der Vergabe der WM 2022 belegen könnten, und bitte um Zusammenarbeit.

20 Millionen Dollar Bestechungsgeld

Der namentlich bislang nicht bekannte ehemalige Fifa-Offizielle wiederum wollte am Dienstag die Namen von vier Fifa-Exekutivmitgliedern nennen, die beschuldigt werden, für die umstrittene Vergabe der WM 2022 an Katar insgesamt 20 Millionen Dollar Bestechungsgeld kassiert zu haben. Es sollten Dokumente und Bankkonten veröffentlicht werden, die die Geldflüsse beweisen.

In einem Untersuchungsbericht, den der englische Anwalt James Dingemans für den nationalen Verband FA angefertigt hatte, wird der Name Nicolas Leoz genannt. Das Exko-Mitglied aus Paraguay soll für seine Unterstützung der Bewerbung Englands um die WM 2018 gefordert haben, dass der traditionsreiche englische Pokal (FA Cup) nach ihm benannt wird.

Behauptungen, Leoz wollte für die Unterstützung der englischen WM-Bewerbung sogar in den Ritterstand erhoben werden, erhärteten sich laut Untersuchungsbericht jedoch nicht. Leoz bestreitet alle Vorwürfe.

Der bisherige und wohl auch künftige Fifa-Präsident Blatter wäscht seine Hände nach wie vor in Unschuld. "Es ist bei der Wahl für die WM 2022 alles so gelaufen wie bei der Vergabe der WM 2018", behauptet Blatter, es gebe keinen Zweifel, "dass bei der Vergabe der WM an Katar alles in Ordnung war. Es gibt auch keinen Grund, die WM-Vergabe zu wiederholen."

Zugleich erklärte der Schweizer aber auch: "Ich kann natürlich auch nicht für alle Exekutivmitglieder die Hand ins Feuer legen." Er glaube auch nicht, dass jedes Mitglied den Ethik-Code gelesen hat. Er habe die Exko-Mitglieder auch nicht selbst ausgewählt. "Ich habe versucht, das Beste für die Fifa zu tun und die unterschiedlichen Charaktere zu respektieren."

(SID/can)
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