Selbst Klopp versteht es nicht Lineker-Suspendierung schlägt hohe Wellen
London · Die Suspendierung von Fußball-Ikone Gary Lineker bei der BBC sorgt weiter für große Aufregung in England. Auch Jürgen Klopp versteht es nicht.
Seinen Auftritt am Spieltag ließ sich Gary Lineker nicht nehmen. Mit Sohn George saß die englische Fußball-Ikone auf der Tribüne seines Heimatklubs Leicester City und sah zu seinem Bedauern die Niederlage gegen den FC Chelsea (1:3). Im dunklen Anzug trat der 62-Jährige dabei auf wie ein klassischer Anchorman, doch von jener Rolle als Moderator der Premier-League-Show wurde Lineker von der BBC suspendiert - was mittlerweile zu großen Verwerfungen in allen gesellschaftlichen Bereichen auf der Insel geführt hat.
Die politischen Parteien, Premierminister Rishi Sunak, BBC-Boss Tim Davie, zahlreiche Sportstars und sogar Jürgen Klopp sind in die Kontoverse um Linekers Kritik an der britischen Asylpolitik involviert. Dabei geht es um Solidarität, Schuldzuweisungen, Rechtfertigungen und Rücktrittsforderungen. Sogar das Programm der altehrwürdigen BBC ist massiv beeinträchtigt. Den bekanntesten Deutschen im derzeit alles andere als „vereinigten“ Königreich lässt die ganze Aufregung ratlos zurück.
„Ich bin zwar kein Einheimischer, aber ich sehe nicht einen Grund dafür, warum jemand für diese Äußerung suspendiert werden sollte“, kommentierte Teammanager Klopp vom FC Liverpool die Debatte um Lineker: „Ich bin nicht sicher, ob ich ein Sprachproblem habe - aber ich finde keinen Grund dafür.“
Lineker hatte per Twitter die von der konservativen Regierung bei ihren Asylplänen verwendete Sprache mit der „von Deutschland in den 30er Jahren“ verglichen. Die Politik von Innenministerin Suella Braverman sei „mehr als schrecklich“. Braverman hatte zuvor Pläne enthüllt, wonach Migranten daran gehindert werden sollen, den Ärmelkanal mit kleinen Booten zu durchqueren - was zu einem Aufschrei bei Menschenrechtsorganisationen geführt hatte.
Was auf die Kritik Linekers und seine Absetzung als Moderator der Highlight-Sendung „Match of the Day“ (dem britischen Pendant zur Sportschau) folgte, ist ein riesiger Aufruhr, der von britischen Medien zwischenzeitlich sogar mit Livetickern begleitet wird - genügend Inhalt dafür lieferten die vergangenen Stunden.
Es ging damit los, dass die als Experten vorgesehenen Ex-Nationalspieler Alan Shearer und Ian Wright aus Solidarität mit Lineker ihre Teilnahme an der Sendung absagten. Dem Boykott schlossen sich kurz darauf die eingeplanten Kommentatoren an.

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Am Ende wurde aus der sonst eineinhalb Stunden dauernden Sendung am Samstagabend eine 20 Minuten dauernden Clip-Show ohne Kommentare, Interviews oder Analysen. Da auch TV- und Radio-Moderatoren anderer Sendungen in den Streik traten, musste sich der Sender für die zahlreichen Programmänderungen entschuldigen.
BBC-Generaldirektor Davie schloss trotz des tiefen Risses innerhalb des Senders einen Rücktritt aus - und versuchte eine erste Brücke für Lineker zu bauen. „Als Erfolg würde ich es sehen, wenn Gary wieder auf Sendung gehen würde“, sagte Davie.
Ob Lineker bei diesem Vorhaben mitspielt, ist offen. Schließlich hatte die BBC die Absetzung des früheren Torjägers damit begründet, dass sie den Post des eifrigen Twitter-Nutzers als Verstoß gegen ihre Richtlinien betrachtet. Auch Davie rechtfertige die Suspendierung noch einmal. Lineker andererseits steht zu seinen Äußerungen.
Das gilt auch für Regierungschef Sunak, der an den Asylplänen festhalten will. Ihren Streit sollten Lineker und die BBC untereinander lösen, sagte Sunak. Ob die BBC dazu in der Lage ist, wird unter anderem von der oppositionellen Labour-Partei bezweifelt.
Seit langer Zeit gibt es auf der Insel Kritik an der BBC, wonach der Sender aufgrund der Nähe seiner Chefs zu den Konservativen nicht mehr überparteilich sei. Dass Davie ein früherer Politiker der Tories war, spricht dabei für viele Kritiker Bände.
Wohl auch für Lineker. Dass er seinen berühmtesten Spruch in Zukunft auf die Phrase „und am Ende gewinnt immer die BBC“ ändern wird, erscheint jedenfalls unwahrscheinlich.