Jungprofi als wichtiges Vorbild Coming-out darf im Fußball keine Frage von Mut sein
Meinung | Düsseldorf · Homosexualität ist im Fußball immer noch ein Tabuthema. Dass nun ein 17-jähriger englischer Profi öffentlich macht, schwul zu sein, bietet die Chance, dass sich das ändert. Aber Jake Daniels kann nur zum Wegbereiter werden, wenn auch Fans, Mitspieler und Vereine ihrer Verantwortung gerecht werden.
Jake Daniels hat gerade erst seinen ersten Profivertrag als Fußballer unterschrieben – beim englischen Zweitligisten FC Blackpool. Und schon sorgt der 17-Jährige nicht nur in England für Schlagzeilen. Die haben jedoch nichts mit seinem fußballerischen Können zu tun, sind aber dennoch von großer Bedeutung für seinen Sport. Daniels hat am Montag in einem Interview mit Sky England öffentlich gemacht, dass er schwul ist. Einen Tag vor dem „ internationalen Tag gegen Homophobie“, der immer am 17. Mai begangen wird.
Das ist ein wichtiger Schritt nicht nur für ihn persönlich, sondern für den Fußball in Europa. Denn Daniels ist der erste aktive Fußballprofi in Europa, der sich öffentlich zu seiner Homosexualität bekennt. Und erst der Zweite überhaupt in diesem Sport. Der Australier Josh Cavallo von Adelaide United hatte im Oktober 2021 als erster Fußballprofi seine Homosexualität öffentlich gemacht.
Damit könnte das englische Nachwuchstalent Vorbild für viele andere werden und Kollegen Mut machen, ebenfalls zu ihrer Homosexualität zu stehen. Denn die ist im Jahr 2022 im Fußball immer noch ein schwieriges Thema. Das zeigt schon die Aufmerksamkeit, die das Coming-out des Engländers verursacht. Es sollte längst egal sein, ob ein Spieler Männer, Frauen, beide oder niemanden liebt. Ob sein Mann auf der Tribüne mitfiebert oder seine Frau.
Das ist es aber derzeit nicht. Viele Fußballer verheimlichen ihre sexuelle Identität oder verstellen sich sogar, weil sie Angst vor den Reaktionen ihres Vereins, ihrer Kollegen oder der Fans und Öffentlichkeit haben. Homophobie, Hass und Anfeindungen gegen Schwule sind in den Fußball-Stadien noch immer allgegenwärtig, auch wenn sich viele Fans dagegen stellen, Regenbogenfahnen und Aktionen für Toleranz und gegen Homophobie immer häufiger werden.
Dass sich das ändern muss, ist keine neue Erkenntnis. Dass sich nun aber ein 17-Jähriger mit dem Beginn seiner Profikarriere selbstbewusst zu seinem Schwulsein bekennt, kann den Schritt für alle weiteren leichter machen. Für solche Prozesse braucht es oft den einen, der vorangeht. Der könnte Jake Daniels werden – unabhängig von seiner fußballerischen Leistung in den kommenden Jahren. Denn die hat nichts mit seinem Coming-out zu tun, auch wenn Daniels selbst berichtet, dass er am Tag, nachdem er seiner Mutter erzählt hatte, dass er schwul ist, vier Tore geschossen hat – auch, weil da viel Druck von ihm abgefallen sei.
Auch er habe überlegt, ob er bis nach seiner Karriere mit dem Coming-out warten solle. Doch er entschied sich anders:„Ich will einfach nicht mehr lügen“, sagte Daniels. „Ich bin erst 17, aber ich bin mir im Klaren darüber, dass es das ist, was ich machen will. Und wenn dadurch, dass ich mein Coming-out habe, andere Leute das sehen und das Gefühl bekommen, dass sie vielleicht dasselbe tun können, wäre das genial“, sagte der Blackpool-Spieler.
Daniels hat also sein Intimstes öffentlich gemacht, um sich nicht verstellen zu müssen. Dass das heute immer noch ein mutiger Schritt ist, ist traurig. Es liegt nun an den Fans, Mitspielern und Gegnern zu zeigen, dass sie das Vertrauen nicht missbrauchen, dass es egal ist, ob ein Fußballer hetero- oder homosexuell ist, dass Spieler künftig keine Angst mehr haben müssen, dass ihre Homosexualität bekannt wird. Denn nur dann werden andere Daniels Beispiel folgen. Nur dann wird es irgendwann keine Schlagzeilen über Coming-outs im Fußball mehr brauchen.