Großbritannien in Aufruhr Vergewaltiger will zurück in den Profifußball

Sheffield/Köln · Früher, vor seiner Haftstrafe wegen Vergewaltigung, vor der gigantischen Aufregung in ganz Großbritannien, war das Leben des Ched Evans einfach. Hier seine zehn Mitspieler, dort seine elf Gegner - gleich, ob bei Sheffield United oder in der walisischen Fußball-Nationalmannschaft.

 Ched Evans gibt sich in seiner Videobotschaft kämpferisch.

Ched Evans gibt sich in seiner Videobotschaft kämpferisch.

Foto: Screenshot BBC

Heute ist seine treue Freundin Natascha so ziemlich die einzige, die noch zu ihm steht. Evans' Gegner dagegen könnten problemlos das Wembleystadion füllen, und das mehrfach. 160.000 Unterzeichner einer Online-Petition gehören dazu, die in Sheffield geborene Siebenkampf-Olympiaheldin Jessica Ennis-Hill, sogar der stellvertretende Premierminister Nick Clegg - und Zehntausende Theken-Philosophen in den Pubs links und rechts des River Sheaf.

"Ich bin fest entschlossen, meinen Kampf fortzusetzen. Und ja, ich will wieder Fußball spielen", sagt Evans in einer 29-sekündigen Video-Botschaft, den unzähligen Interview-Anfragen hat er sich grundsätzlich verweigert. Neben ihm sitzt eine junge Frau mit langem blonden Haar: Natascha. Sie ist betrogen worden, ihr Freund saß im Gefängnis, aber sie hat ihm verziehen.

Sheffield Divided. Der altehrwürdige Verein, 1889 gegründet, ist an der Frage, ob jeder eine zweite Chance verdient hat, zerrissen. Seitdem die Profifußballer-Gewerkschaft PFA die "Blades" aufgefordert hat, Evans (25) wieder am Training teilnehmen zu lassen, ist an der Bramall Lane nichts mehr wie zuvor. Zwei Großsponsoren drohen mit Rückzug, drei prominente Förderer des Klubs haben ihre Unterstützung aufgekündigt.

Und Ennis-Hill? Die Olympiasiegerin von London 2012 will ihren guten Namen nicht mehr für die "Jessica-Ennis-Tribüne" hergeben. Der ansonsten unaufgeregten BBC war dies eine Eilmeldung wert. Überhaupt wird jede kleinste Wendung in diesem Schmutz-Drama begierig aufgesogen und von allen Seiten beleuchtet.

"Too drunk to consent", zu betrunken, um einzuwilligen, das sind die entscheidenden Worte. Es war an einem Sonntagabend Ende Mai 2011 in Rhyl, Nord-Wales, als Ched Evans seinen Kumpel Clayton McDonald, ebenfalls Fußballer, im Premier Inn Hotel einbuchte. "Wir hätten jede Frau haben können", hat Evans der Polizei über später den Streifzug der beiden durch die Bars berichtet: "Fußballer sind reich, das mögen die Girls."

Die 19-Jährige, die McDonald mit auf sein Hotelzimmer nahm, soll allerdings bis an die Grenze zur Besinnungslosigkeit betrunken gewesen sein. McDonald bat seinen Freund per Handy dazu, beide Männer haben mit der Frau Sex gehabt, das räumt Ched Evans ein. Angeblich schauten Freunde dabei durchs Fenster zu. Evans schwört: Er ist unschuldig.

Die Jury des Caernarfon Crown Court hat 2012 anders entschieden. Fünf Jahre Gefängnis wegen Vergewaltigung lautete der Schuldspruch für Ched Evans, der nach einem Jahr mit 35 Toren für den Drittligisten vor einem großen Wechsel zu stehen schien. Am 17. Oktober 2014 wurde er vorzeitig entlassen.

Ein Wort des Bedauerns hat er nicht über die Lippen gebracht, bis heute. Das sei "widerlich", "ekelhaft", "eine Schande", ist von vielerlei Seite zu lesen. Die Aufregung in der Diskussion wird durch die Einmischung allerhöchster Politik potenziert: Nick Clegg, seines Zeichens immerhin stellvertretender Premierminister, sagte in einer Radiosendung, er würde Evans sicher "nicht trainieren lassen".
Fußballer seien schließlich Vorbilder für Kinder.

Sheffield United hat sich auf eine Position zurückgezogen, die möglichst wenig Irritation verursacht - was außergewöhnlich schwierig ist. Berichte, eine erneute Vertragsunterschrift des 13-maligen walisischen Nationalstürmers stehe bevor, kommentierte Teammanager Nigel Clough mit den Worten: "Das ist weit davon entfernt, wahr zu sein."

(sid)
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