„Er war vollkommen“ In der Erinnerung ist Pelé unsterblich

Düsseldorf · Im Alter von 82 Jahren ist Edson Arentes do Nascimento, besser bekannt als Pelé, verstorben. Für nicht wenige war der Brasilianer der „König“ und der größte Fußballer aller Zeiten. Ein Nachruf.

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Foto: dpa, rf nic hpl

Er war ein kleiner Kerl, schmächtig, unterernährt, mit schlechten Zähnen. So sahen sie aus, die brasilianischen Fußball-Talente, wenn sie zu den großen Klubs kamen. Sie mussten vieles lernen, auch wie man sich richtig ernährt. Aber wenn er spielte, dann verzauberte er seine Zuschauer. Mit 15 Jahren bekam Edson Arentes do Nascimento, den alle Pelé riefen, beim FC Santos seinen ersten Profivertrag. Mit 17 wurde dieser magische Stürmer zum ersten Mal Weltmeister, mit 29 zum dritten Mal, eine globale Marke war er längst und für viele der beste Fußballer aller Zeiten. Die deutsche Legende Uwe Seeler stellte voller Achtung fest: „Er war vollkommen.“ In Brasilien nannten sie ihn den „König“. Der König ist tot, er starb mit 82 Jahren an den Folgen einer Krebserkrankung.

Seine Geschichte liest sich wie viele der brasilianischen Märchen von Aufsteigern aus armen und ärmsten Verhältnissen. Anders als manche anderen Märchen hat sie allerdings kein tragisches Ende – wie das seines ehemaligen Mitspielers Garrincha, der auf dem Fußballplatz die Sterne vom Himmel spielte, aber im Suff völlig verarmt starb. Pelé ist ein wohlhabender Mann geworden, auch wenn er ein paar Mal in seiner großen Karriere pleite war.

Beim FC Santos erkannten sie früh, was für eine Begabung da in ihren Reihen war. Ein Spieler, der buchstäblich alles konnte: Pelé dribbelte unwiderstehlich, er hatte trotz eher bescheidener Körperlänge von 1,73 Meter ein großartiges Kopfballspiel, er schoss präzise, und er hatte das geniale Vorstellungsvermögen von Raum und Zeit, das seine Gegenspieler zu Statisten machte und seine Mitspieler zu Erfolgen trug.

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Foto: AFP/TORSTEN SILZ

Die Welt lernte ihn 1958 bei der WM in Schweden kennen. Das 17-jährige Bürschchen spielte mit der harten Verteidiger-Elite sein eigenes Spiel. Er schob den großen Männern den Ball durch die Beine, hob ihn über den Kopf, schlängelte sich durch das defensive Dickicht und schoss Tore – drei im Halbfinale gegen Frankreich (5:2), zwei im Finale gegen Schweden (5:2).

Die Zeitzeugen überschlugen sich. Sie rühmten seine Fähigkeit, „die Zeit anzuhalten im Strafraum“. Sein schwedischer Endspielgegner Sigvard Parling war so ergriffen, „dass ich nach dem Tor applaudieren wollte“. Johan Cruyff, ebenfalls einer der Größten im Fußball, urteilte: „Er hat die Grenzen der Logik überwunden.“

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Die Grenzen der menschlichen Leidensfähigkeit jedoch nicht. 1962 bei der WM in Chile holte seine Mannschaft wieder den Titel, Pelé musste schon nach dem zweiten Gruppenspiel verletzt zuschauen. Das war die Quittung für die Strapazen, die der FC Santos seiner Mannschaft auferlegte. 70 bis 80 Spiele pro Jahr mutete der Klub seinen Spielern zu, viele davon auf ausgedehnten Touren durch die Welt. Irgendwoher musste das Geld ja kommen, mit dem die Erfolge bezahlt werden konnten. Das Marketing heutiger Prägung war noch lange nicht erfunden. Pelé wurde zum Exportschlager. Und er hatte bereits früh so viel Geschäftssinn entwickelt, dass er 15 Prozent der Gesamtprämie einstrich.

Auch darum war der Stürmer, der sich auf dem Platz durch seine Beweglichkeit und sein vorausschauendes Spiel seinen Bewachern meist so geschickt entziehen konnte, früh ein reicher Mann und nicht nur nach brasilianischen Maßstäben üppig bezahlt. Er entrückte auch neben dem Fußballplatz den gängigen Maßstäben. Aber selbst der König konnte nicht zaubern. Bei der WM in England 1966 betrieben die Portugiesen im Gruppenspiel eine wahre Hetzjagd auf ihn. Sie traten ihn förmlich vom Feld. Brasilien verlor mit 1:3 und fuhr nach Hause.

Pelés Beliebtheit tat das keinen Abbruch. Seine Landsleute feierten ihn unverdrossen, und diesmal feierte der König mit. Es begannen Jahre ausgelassener Partys, die der Form nicht zuträglich waren. Die Militär-Regierung sah es mit Sorge, denn sie benötigte Erfolge und Helden. Deshalb befahl ihn Staatspräsident Emilio Garrastazu Medici regelrecht ins Team für die WM 1970. Gegen den Willen von Nationaltrainer Joao Saldanha, der den Star als „alt, überheblich, kurzsichtig und dick“ schmähte. Das kostete den Trainer das Amt.

Auch Pelé brauchte diese WM, denn er hatte durch Immobiliengeschäfte sein beträchtliches Vermögen mal wieder in den Sand gesetzt. Auf 1,5 Millionen Euro beliefen sich seine Schulden. Deshalb trainierte er vor der WM in Mexiko wie nie zuvor in seinem Leben. Sein Mitspieler Roberto Rivelino sagte, Pelé sei besessen gewesen vom Titel. Und anders als zwölf Jahre zuvor war Pelé nun die Führungsfigur, auf die jeder schaute. Aber er bestand diese Prüfung, und er führte die in einer betörenden Mischung aus Zweckmäßigkeit und Schönheit des Spiels beste brasilianische Nationalelf zum Titel. „In der Kabine rief er: Ich bin nicht tot, ich bin nicht tot“, erinnerte sich Rivelino. Der Staatspräsident genoss die Umarmung mit Pelé vor den Kameras. Und der Star ließ es sich gefallen, auf Distanz zum Regime ging er nie.

Nach dem dritten Titel endete die Karriere in der Nationalmannschaft. Die im Vereinsfußball ging weiter, das Bankkonto ließ dem König keine andere Wahl. Mit Geschäftsfreunden hatte er eine Kautschuk-Firma ruiniert, erst ein üppiger Vertrag mit Cosmos New tilgte die Millionen-Schulden. „Ich war nie ein Geschäftsmann“, bekannte Pelé, „ich habe zu sehr ans Gute im Menschen geglaubt.“

Das ist vermutlich nicht die ganze Wahrheit. Denn er brachte es doch mit Geschick und Weitblick dazu, die Marke Pelé zu einer Weltmarke zu machen. Allerlei Werbeverträge von Cola bis Viagra ließen den Rubel tüchtig rollen. Er war Sportminister, Botschafter des Weltverbands Fifa, und er war sich seiner Bedeutung ganz sicher bewusst.

Eine globale Marke ist Pelé geblieben, auch wenn seine Auftritte in der Öffentlichkeit in den zurückliegenden vier Jahren selten geworden sind. Schuld daran ist seine angeschlagene Gesundheit. Zwei Hüftoperationen, mehrere dramatisch verlaufene Harnwegsinfektionen und zum Schluss der Krebs nahmen dem König die Beweglichkeit. Er hat darunter sehr gelitten. Aber er wollte es nicht zeigen. „Ich habe gute Tage und andere, die nicht so gut sind. Das ist normal für Leute in meinem Alter“, sagte er vor zwei Jahren, „ich habe 30 Jahre Fußball gespielt, Gott hat jetzt einfach die Rechnung geschickt.“

Ein ganzes Land hat für Pelé zuletzt gebetet. „Ich bin stark und kämpfe“, ließ er verbreiten. Doch auch ein König ist nicht unbesiegbar. Allein in der Erinnerung bleibt Edson Arantes do Nascimento unsterblich.

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