Strafverfahren gegen Fifa-Chef Das Ende des Systems Blatter

Düsseldorf/Zürich · Im Strafverfahren gegen den Fifa-Präsidenten rückt auch Uefa-Chef Platini in den Blickpunkt.

Die Chronologie zur Korruptionsaffäre bei der Fifa
Infos

Die Chronologie zur Korruptionsaffäre bei der Fifa

Infos
Foto: dpa

Noch vor der Heimreise aus Zürich hat Wolfgang Niersbach die Sprachregelung für den Deutschen Fußball-Bund erteilt. Er sei "fassungslos", sagte der DFB-Präsident in seiner ersten Stellungnahme zum Strafverfahren "wegen ungetreuer Geschäftsbesorgung" gegen Fifa-Präsident Sepp Blatter (79). Niersbach beteuerte, weder er noch die anderen Mitglieder des Exekutivkomitees hätten bei ihrer Sitzung auch nur andeutungsweise von den Vorwürfen erfahren.

Der deutsche Verband schloss sich in einer offiziellen Bewertung der Vorgänge, die nichts anderes als das definitive Ende des Systems Blatter bedeuten, seinem führenden Funktionär natürlich brav an: "Das Präsidium des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) hat mit großer Bestürzung auf die jüngsten Ermittlungen bei der Fifa reagiert und ist fassungslos über das Ausmaß und die Schwere der im Raum stehenden Anschuldigungen. Geschlossen fordert der gesamte deutsche Fußball von der Basis bis zum Profibereich eine schnelle, konsequente Aufklärung aller Vorwürfe und Verdächtigungen durch die zuständigen Ermittlungsbehörden sowie eine umfassende Kooperation durch die Fifa."

Das fordern auch andere. Zum Beispiel der ehemalige Anti-Korruptionsexperte der Fifa, Mark Pieth. Der Schweizer Rechtsprofessor nimmt aber auch den DFB in die Pflicht. Er verlange von den Deutschen eine "unmissverständliche Positionierung bei Aufklärung und Neubeginn", sagte er der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung". Das wiederum verspricht Niersbach. "Es muss beim eingeschlagenen Weg bleiben. Die zuständige Reformkommission muss in den kommenden beiden Sitzungen das Reformpaket soweit vorbereiten, dass es durch das Exko im Dezember verabschiedet werden kann", erklärte der DFB-Präsident.

Zweifel beim Schweizer Professor bleiben. Er unterstellte den Deutschen: "Solange ihr Freund Platini nicht weg ist, wird von denen blockiert." Tatsächlich ist Uefa-Präsident Michel Platini im Zuge der Ermittlungen gegen Blatter zumindest in den Blickpunkt, wenn nicht ins Zwielicht gerückt. Gegenstand des Strafverfahrens ist eine "treuwidrige Zahlung" von zwei Millionen Franken (1,8 Millionen Euro) an Platini. Im Februar 2011 wurde das Geld überwiesen - für "Dienste in den Jahren 1999 bis 2002".

Platini versicherte: "Dieser Betrag steht in Bezug zu meiner Arbeit, die ich unter einem Vertrag mit der Fifa geleistet habe." Warum erst neun Jahre nach dem Ende dieser Arbeit gezahlt wurde, verriet er nicht. Tatsache aber ist, dass Platini 2011 in der Uefa dafür warb, bei der Wahl des Fifa-Präsidenten für Blatter zu stimmen. Weder der Name Platini noch der Vorgang um die treuwidrige Zahlung werden in der Medien-Erklärung des DFB erwähnt. Daraus schließt der Schweizer Professor Pieth, dass die Deutschen zunächst mal in Treue fest zu Platini stehen, der noch als großer Favorit auf Blatters Nachfolge gilt. Aber auch der Name Blatter kommt in der DFB-Botschaft nicht vor. Und es wäre eine absurde Annahme, dass die Deutschen zu Blatter stünden.

Das müssen sie nicht mehr. Denn das System Blatter hat sich spätestens mit dem Strafverfahren erledigt. Über 40 Jahre im Dienst der Fifa hat er es errichtet, zunächst als Direktor der Öffentlichkeitsarbeit, dann als Generalsekretär, schließlich in 17 Jahren als Präsident. Es ist ein System aus Abhängigkeiten und Gefälligkeiten, ein Schweizer Klüngel im Milliardengeschäft Fußball. Lange hat vor allem die Schweizer Justiz tatenlos zugesehen. Ihre Ermittlungen bringen Blatters Gebäude nun vollends zum Einsturz. Bereits die von der US-Justiz angestrengten Verfahren gegen führende Fußball-Funktionäre haben Mitte des Jahres ein bis dahin unvorstellbares Beben bei der Fifa ausgelöst. Dass der Skandal Blatter erreicht hatte, wurde schon durch seine Rücktrittsankündigung Anfang Juni deutlich. Das Strafverfahren unterstreicht die Tatsache nur. Dem bis zum Kongress im Frühjahr 2016 noch amtierenden Präsidenten droht nicht nur eine Amtsenthebung durch die Ethikkommission des Weltverbands, die seit dem Wochenende ebenfalls ermittelt. Wenn Blatters Fall vor Gericht angeklagt wird, dann könnte er trotz seines stolzen Alters mit einer Gefängnisstrafe belegt werden.

Noch, das haben die Schweizer Behörden betont, "gilt die Unschuldsvermutung". Aber Blatter hat den Umfang der Angelegenheit sicher begriffen. An dem Tag, als ihn die Staatsanwaltschaft "als Beschuldigten" vernahm, blieb er bis in die Nacht in seinem Züricher Büro. Fotos zeigen einen gebeugten, alten Mann.

(pet)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort