Uefa-Präsidentschaft Beckenbauer nach Platini-Ansage unter Druck

Neuss/Paris (rpo). In der Frage um die Nachfolge von Uefa-Präsident Lennart Johansson bahnt sich ein Duell zweier Fußball-Altmeister an. Nachdem der einstige französische Weltklassespieler Michel Platini zu Beginn der Woche angekündigt hatte, für den Vorsitz der europäischen Fußball-Union Uefa zur Verfügung zu stehen, will der DFB nun einen Gegenkandidaten präsentieren.

Kein Geringerer als "Kaiser" Franz Beckenbauer soll in das Rennen um den einflussreichen Posten an der Spitze des europäischen Fußball-Dachverbands geschickt werden. Der DFB will den Chef des WM-Organisationskomitees bereits am Freitag als offiziellen Bewerber vorschlagen, so der Geschäftsführende Präsident Theo Zwanziger.

"Ich halte es mit unserem Bundespräsidenten Horst Köhler. Wir müssen aufhören zu taktieren, sondern sagen, was wir erreichen wollen. Und wenn der Deutsche Fußball-Bund nach der WM 2006 nicht anstrebt, so hoch wie möglich in internationalen Gremien vertreten zu sein, dann machen wir etwas falsch", gab Zwanziger in einem kürzlich geführten Interview zu bedenken. "Eins aber ist mir auch klar: Gegen Platini kann kein Mayer-Vorfelder, kein Zwanziger, kein anderer kandidieren. Es gibt nur Beckenbauer. Ihn gilt es zu überzeugen."

Beckenbauer allerdings hat sich noch nie in seinem Leben einer Wahl gestellt, sondern ist immer nur als einziger Kandidat in Ämter gebeten worden. Die Kandidatur von Michel Platini, früherer Spielmacher der französischen Nationalmannschaft und von Juventus Turin sowie zuvor AS St. Etienne war erwartet worden - nur der Zeitpunkt der Bekanntgabe überraschte. Am Dienstag um 11 Uhr wurden per Fax die Briefe an die Präsidenten der 52 Mitgliedsverbände verschickt. Darin heißt es: "Der Fußball hat aus mir den Mann gemacht, der ich bin. Und weil er mir so viel gebracht hat, will ich ihm zurückgeben, was er mir gegeben hat."

"Heysel bleibt eine Wunde"

Danach erwähnt Platini seine Erfolge als Spieler, seine Zeit als Trainer, seine Co-Präsidentschaft als Organisator der WM 1998, verbirgt aber auch nicht, dass "Heysel eine Wunde bleibt, die immer noch nicht vernarbt ist". 1985 waren beim Europacup-Finale im Brüssler Heysel-Stadion zwischen Liverpool und Turin über 30 Menschen getötet worden, Platini musste den Elfmeter zum 1:0-Sieg von "Juve" schießen.

Was ganz Europa verblüfft: Platini hat seine Kandidatur zu einem Zeitpunkt bekannt gegeben, an dem noch nicht einmal feststeht, wann der Wahltermin ist. Nachdem der Weltverband Fifa die Termine entzerren will, um Weltmeisterschaften nicht mit politischen Diskussionen zu belasten - die Fifa-Wahlen finden statt 2006 erst 2007 statt - überlegt auch die Uefa, ihre Wahlen um ein Jahr zu verschieben. Die Entscheidung fällt im April in Tallin.

Eine Verschiebung käme Beckenbauer entgegen. Der kann als WM-OK-Chef bis 2006 keinen Wahlkampf führen, danach aber, sozusagen "arbeitslos", durchaus schon.

Beckenbauer am Zug

Die Platini-Offensive wird in Frankreich als geniales Meisterstück des einstigen Spielmachers gewertet. Während Libero Beckenbauer und "geborene Funktionäre" wie der Niederländer Mathieu Sprengers (Uefa-Schatzmeister als Nachfolger von Egidius Braun), der Norweger Per Ravn Omdal oder der Spanier Angel Maria Villar Llona noch in der Defensive verharrten, hat der Europameister von 1984 ihnen mit seiner frühzeitigen Ankündigung den Teppich unter dem Boden weggezogen. Der Spielmacher hat den Pass gegeben, es ist am Libero, ihn aufzunehmen.

(sid)
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