Karriereende mit 44 Jahren Fernab vom Rampenlicht tritt Hertha-Idol Marcelinho leise ab

Köln/Belo Horizonte · Mit 44 Jahren beendete der frühere Bundesligastar Marcelinho am Sonntag eine Karriere gespickt mit erfolgreichen Kapiteln und von skandalösen Eskapaden.

 Marcelinho bei seinem Abschiedsspiel 2017 in Berlin. (Archiv)

Marcelinho bei seinem Abschiedsspiel 2017 in Berlin. (Archiv)

Foto: dpa/Jörg Carstensen

Sekunden vor dem Halbzeitpfiff fiel der letzte Vorhang. Marcelinho, der einst die alte Dame Hertha BSC zur sexy Lady gemacht hatte, setzte am Sonntag mit seiner Auswechslung einen Schlusspunkt unter 29 Jahre als Fußballer im Profigeschäft. Die letzte Bühne war dort, wo alles begonnen hat. In den Niederungen der Staatsmeisterschaft seines Bundeslandes Paraiba.

"Ich bin glücklich, und jetzt werden wir den Anfang einer neuer Karriere machen", sagte der 44-Jährige umringt von Familie und Freunden noch in der Pause im Amigao-Stadion von Campina Grande. Wenige Minuten später saß er bereits als Co-Trainer auf der Bank von Desportiva Perilima, einem Klub, der in 28 Jahren Existenz noch nie national in Erscheinung getreten ist.

Von hier aus will der einstige Paradiesvogel, dessen blonde Strähnen seinem genialen Fuß mehr Glanz verliehen, es wieder ganz nach oben schaffen. "Im Mai mache ich einen Kurs beim (Verband) CBF, danach will ich dann bei Hertha ein Praktikum absolvieren", informierte der Brasilianer.

Schließlich war Marcelo dos Santos in deutschen Hauptstadt zwischen 2001 und 2006 der Glamour-Boy einer Truppe, die 2001 und 2002 den Ligapokal gewann, in der Bundesliga oben mitspielte, aber auch immer für eine Enttäuschung gut war.

Am 9. April 2005 erzielte der Linksfuß das Tor des Monats, aus nachgemessenen 48,3 Metern gegen den SC Freiburg. Ein Kunststück, dass ihm mit einem Gewaltschuss gleich zu Beginn seiner Berliner Zeit im Juli 2001 schon einmal gelang.

Als der Klub ihn in der Sommerpause 2006 nach wieder einmal eigenmächtig verlängertem Heimaturlaub gen Türkei ziehen ließ, hatte sich Marcelinho mit 65 Treffern bei 155 Einsätzen in Deutschlands Eliteklasse in die Herzen der Hertha-Fans geschossen.

Nach nur wenigen Wochen bei Trabzonspor war er im Januar 2007 in die Bundesliga zurückgekehrt, legte für den VfL Wolfsburg zwölf Treffer in 50 Ligaspielen nach, ehe es im Sommer 2008 für immer zurück in die Heimat ging. Zunächst noch bei Topklubs wie CR Flamengo oder den FC Sao Paulo, dann in immer kürzeren Abständen tiefer hinab in die Provinz.

"Eine Sache, die ich heute bedaure, und dir mir viel Geld gekostet hat, war das Leben in Saus und Braus", gestand Marcelinho. Von den fetten Jahren ist nichts übrig geblieben. "Sein großes Problem war, dass er als herzensguter Mensch immer für alle da war. Er hat immer bezahlt für seine sogenannten Freunde", beschrieb einst Herthas Ex-Manager Dieter Hoeneß den sechsmaligen Selecao-Spieler.

Selbst abseits des Platzes sorgte Marcelinho für Wirbel. In Berlin mit einer Alkoholfahrt im Februar 2002. Daheim brachten ihn nicht geleistete Unterhaltszahlungen an den Rand einer Verhaftung. Im Januar 2012 musste er wegen einer angeblichen Vergewaltigung dann tatsächlich für ein paar Tage ins Gefängnis.

"Allen Vereinen gehört meine Dankbarkeit", sagte Marcelinho, seit Juli 2019 getaufter Anhänger einer Pfingstkirche, ohne Jammern am Sonntag. Der Fußball hatte ihn an den Ort zurückgebracht, wo er 1991 sein erstes Profispiel für Campinense bestritt. Wo sein Vater Pedrinho Cangula am 16. März 1975, also fast auf den Tag genau vor 45 Jahren das erste Tor im gerade eröffneten Stadion erzielte.

Ein würdiger Ort. Das 2:1 Perilimas gegen CSP Joao Pessoa ein schöner Abschluss einer einmaligen Karriere. Der Rest ist Geschichte.

(ako/sid)
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