Bruno Fernandes Verurteilter Mörder kehrt ins Tor zurück und spaltet Brasilien

Varginha · Ein Zweitligist deklariert die Verpflichtung eines vermeintlichen Mörders als humanistischen Akt, doch alle Sponsoren springen ab. Das Volk wütet im Internet, schießt aber Selfies mit dem Torhüter.

 Bruno Fernandes beim Training mit seinem neuen Klub.

Bruno Fernandes beim Training mit seinem neuen Klub.

Foto: rtr, SM/ys

Ein Mord ohne Leiche. Ein verurteilter Torhüter entweder reuelos oder schuldlos. Ein Provinzklub, der ins Schlaglicht wollte und jetzt um seinen Ruf kämpft. Brasiliens Fußball ist dieser Tage die Bühne eines Schmierenstücks, in dem es um recht haben und recht geben geht. Und um Bruno Fernandes, der wegen des spurlosen Verschwindens seiner Ex-Geliebten Eliza Samudio eigentlich 22 Jahre und drei Monate hinter Gittern sitzen müsste.

Die Posse in Gang gebracht hat ausgerechnet ein Richter des Obersten Bundesgerichtshofes, der den heute 32-Jährigen am 24. Februar nach nicht einmal sieben Jahren Haft vorläufig in die Freiheit schickte. Weil sich die Revision und damit die Endgültigkeit des erstinstanzlichen Urteilsspruches seit vier Jahren in den bürokratischen Gerichtsmühlen verheddert. Weshalb die "präventive Verwahrung" rechtswidrig sei.

Zudem im Mosaik der im Juni 2010 vollzogenen Gräueltat zwei wichtige Steinchen fehlen. Die Leiche Eliza Samudios, wohl von einem noch inhaftierten Bekannten Brunos ermordet, zerstückelt und Hunden zum Fraß vorgeworfen. Und das klare Geständnis Brunos, die Ermordung in Auftrag gegeben zu haben. Vermutlich weil er den (Geld-)Forderungen Elizas wegen des gemeinsamen Sohnes aus der kurzen Affäre nicht mehr nachkommen wollte.

Medien und Volk sind sich dennoch in breiter Mehrheit einig: Der einstige Meistertorhüter von CR Flamengo, der nach dem Titelgewinn 2009 mit dem Spitzenklub aus Rio de Janeiro gar auf dem Sprung in die Seleço stand, ist schuldig. Und auch wenn dieser kurz nach seiner Freilassung erklärte: "Ich habe für meinen Fehler teuer bezahlt." Wahre Reue klingt anders. Daher wollen viele Brasilianer mehr.

"Resozialisieren ja, banalisieren nein"

Und toben in Internetforen oder auf der Straße. Wie die 26 maskierten und schwarz gekleideten Frauen, die am Dienstagabend kurz nach Brunos Vertragsunterzeichnung beim Zweitligisten Boa Esporte Clube schweigend durch die Straßen Varginhas, im Nirgendwo zwischen Belo Horizonte und Sao Paulo gelegen, zogen. Auf Plakaten prangerten sie den "Marketingschachzug" des Aufsteigers an und forderten: "Resozialisieren ja, banalisieren nein".

"Was er getan hat, ist nicht richtig, aber er hat das Recht, in die Gesellschaft zurückzukehren", verteidigte Klubpräsident Rone Moraes. Doch der Zweijahresvertrag für den Ex-Häftling kommt Boa teuer zu stehen. Alle wichtigen Sponsoren sowie der Trikotausrüster sind mittlerweile abgesprungen. Hacker knackten am Sonntag den Internetauftritt des Vereins und stellten Fakten zur Gewalt gegen Frauen auf die Homepage.

Es gibt aber auch Zuspruch. Wie auf der eigens Anfang März gegründeten Facebook-Seite "Brunogoleirofas" (Fans von Torhüter Bruno). Bei seinen kurzen Wegen zwischen Auto und Gebäuden genieren sich die Schaulustigen nicht, nach einem Selfie mit dem anrüchigen Star zu fragen.

Und die Reaktion des "Bösewichts" beim ersten großen Auftritt, pikanterweise im Trikot mit den Namen aller abrückenden Sponsoren? Eine Pressekonferenz mit mehr Schweigen als Antworten und ein abschließendes Bekenntnis, das angesichts des Mordes hämisch klingt. "Gott öffnet uns allen die Türen." Dann ging es zum Trainingsgelände. Denn in "30 bis 40 Tagen" will er sein erstes Spiel bestreiten.

(sid)
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