Erster internationaler Titel Afghanistan feiert mit Gewehrfeuer und vielen Tränen

Kabul · Die Fußball-Nationalmannschaft Afghanistans sicherte sich am Mittwoch den ersten internationalen Titel ihrer Geschichte – und in Kabul fielen wieder Schüsse.

Pausenlos rattern die Kalaschnikows, der Geruch des verbrannten Schießpulvers durchdringt die Stadt. Nichts Außergewöhnliches in Kabul, könnte man meinen. Nur diesmal sind es keine Militär-Attacken, keine Proteste, die die Straßen der afghanischen Hauptstadt beben lassen: Begleitet von Freundenschüssen und unter Tränen des Stolzes feiert das krisengeschüttelte Volk den ersten Titel in der Geschichte ihrer Fußball-Nationalmannschaft.

"Das tut uns wahnsinnig gut", sagte Gholam Rasol Lala am Mittwochabend nach dem Gewinn der Südasienmeisterschaft, es lässt uns den Krieg vergessen - die Angriffe, die wir jeden Tag mit ansehen müssen." Das überraschende 2:0 im Endspiel gegen Seriensieger Indien verwandelte die Stadt bis tief in die Nacht in eine Partymeile. Es keimte ein Lebensgefühl, das man in der islamischen Republik kaum kennt.

Die Afghanen gieren nach Fußball, sie sehen Spiele als Zeichen für Freiheit und Frieden. Vor knapp einem Monat hatte Kabul das erste Heim-Länderspiel seit zehn Jahren ausgetragen - Gegner vor 6000 Zuschauern im ausverkauften Stadion war ausgerechnet Pakistan, der Nachbar, der Erzrivale. Seit 2012 gibt es zudem eine Profi-Liga mit acht Teams aus verschiedenen Regionen. "Nach drei Jahrzehnten Krieg ist es gut, von Zeit zu Zeit an etwas anderes zu denken", sagte Abdel Wahed.

Der 21 Jahre alte Fan des FC Barcelona drängte sich am Mittwochabend in ein Elektronikgeschäft, um das Endspiel live am im Fernsehen zu verfolgen. Andere Kabuler suchten sämtliche Teestuben und andere überfüllte öffentliche Einrichtungen auf. Hauptsache ab und zu einen Blick auf die meist klitzekleinen Bildschirme erhaschen. Public Viewing in Afghanistan. "Wenn wir gewinnen, dann gibt es eine riesige Party", merkte Wahed voller Vorfreude während des Spiels an. Er sollte Recht behalten.

Noch vor dem Abpfiff begannen die Jubelstürme. Es schien, als entlud sich mehr als die Anspannung, die sich während der geschichtsträchtigen Begegnung angestaut hatte. Es war ein Triumph für das gesamte Volk. Und die Spieler wurden über Nacht zu Nationalhelden. "Sie kämpfen", sagte Abdul Salam voller Enthusiasmus, "damit der Name Afghanistan nicht nur mit Krieg und Krawallen verbunden wird."

Zunächst am Flughafen und später in Kabuls Ghazi-Stadion empfingen am Donnerstag Tausende die Sieger, die voller Stolz ihre Trophäe präsentierten. Selbst Staatspräsident Hamid Karzai gratulierte persönlich und sprach in einer offiziellen Mitteilung von einem "historischen Sieg". Der 55-Jährige, der seit 2001 regiert, weiß um die Tragweite des Ereignisses: Es kehrte ein Stück Normalität zurück in ein Land, das seit Jahrzehnten von den Taliban und anderen Extremisten terrorisiert wird.

Zumindest am Donnerstag hielt die Aufbruchsstimmung an. Ausgelassen sangen und tanzten die Menschen auf den Straßen. Und wieder ratterten die Kalaschnikows, wieder waren es Freudenschüsse.

(sid)
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