Rundumschlag nach Rücktritt Klinsmann rechnet mit Hertha BSC ab – „Jahrelange katastrophale Versäumnisse“

Düsseldorf · Hertha BSC kommt nach dem unrühmlichen Abgang von Trainer Jürgen Klinsmann nicht zur Ruhe. Nun ist ein Protokoll aufgetaucht, in dem der 55-Jährige knallhart mit dem Bundesligisten abrechnet.

Das ist Jürgen Klinsmann
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Foto: dpa/Robert Michael

Jürgen Klinsmann war 77 Tage lang Trainer von Hertha BSC. Am 11. Februar warf er von heute auf morgen hin. Via Facebook hatte er überraschend seinen Rücktritt verkündet und den Klub in Chaos gestürzt. Am Samstag gingen die Berliner im eigenen Stadion gegen den 1. FC Köln unter. Der Bundesligist präsentierte sich dabei in einem desolaten Zustand.

Nun ist ein Protokoll aufgetaucht, das im Verein für noch mehr Unruhe sorgen dürfte. Der „Sport Bild“ liegt das Dokument vor. In ihrer Mittwochsausgabe berichtet das Magazin von der „brutalsten Abrechnung der Bundesliga-Geschichte“. Das Management von Klinsmann bestätigte gegenüber dem Sport-Informations-Dienst (sid) die Echtheit, rätselt allerdings darüber, wie das Protokoll an die Öffentlichkeit gelangen konnte. Auf 22 Seiten hat Klinsmann seine Tätigkeit bei Hertha BSC dokumentiert – und rechnet knallhart mit dem Hauptstadtklub ab. Der ehemalige Bundestrainer schildert in dem Protokoll detailliert, was ihm bei seinem Ex-Verein missfallen hat. Sein Protokoll ist eine Art Abrechnung mit nahezu jeder Abteilung der Berliner: Ob Spieler, Ärzte, Medienabteilung, Management oder Präsidium – Klinsmann lässt nichts aus.

Vor allem Geschäftsführer Michael Preetz und Präsident Werner Gegenbauer, den er als „völlig übel gelaunter Präsident...“ beschreibt, müssen sich vernichtende Urteile gefallen lassen. Dem 52-jährigen Preetz wirft Klinsmann „jahrelange katastrophale Versäumnisse“ vor. „Es gibt eine Lügenkultur, die auch das Vertrauensverhältnis der Spieler mit Preetz zerstört hat“, wird Klinsmann zitiert. Der von Preetz zusammengestellte Kader habe „zu viele ältere und satte Spieler, die keinerlei Power haben, um im Abstiegskampf zu bestehen.“ Zudem habe der Klub „keine Leistungskultur, nur Besitzstandsdenken und es fehlt jegliches Charisma in der Geschäftsleitung“. Geht es nach Klinsmann, müsste die Geschäftsleitung sofort komplett ausgetauscht werden.

Auch mit der medizinischen Abteilung des Bundesligisten geht er hart ins Gericht. Die medizinische Abteilung sei „ohne jegliche Dynamik, zerstritten, inkompetent, den Anforderungen des modernen Profifußballs nicht gewachsen“, heißt es. Die Ärzte würden versuchen „ständig, Spieler krank oder verletzt zu reden, damit die eigene Wichtigkeit unterstrichen wird.“ Zum Zeitpunkt seiner Übernahme als Trainer seien die Spieler zudem in einem einem „katastrophalen körperlichen wie mentalen Zustand“ gewesen.

Es gebe eine Medienabteilung, „die nur reagiert, keine Ideen hat und den Trainerstab niemals verteidigt. Es werden keine Lösungen gesucht, keine Innovationen.“

Nach der Trennung von Ante Covic habe Klinsmann dem Bericht zufolge zunächst vorgeschlagen, Ralf Rangnick als Trainer zur Hertha zu holen. Der 61-Jährige habe ihm „unmissverständlich“ mitgeteilt, „dass er das Projekt Berlin spannend findet, in einer Konstellation mit Michael Preetz als Vorgesetztem jedoch niemals kommen würde.“

Mit seiner Arbeit als Trainer war Klinsmann dagegen offenbar sehr zufrieden: „Der Klub wäre ohne Trainerwechsel Ende November direkt in die 2. Liga abgestiegen...“ Klinsmann kassierte in der Liga mit der Mannschaft drei Niederlagen, schaffte drei Unentschieden und feierte drei Siege. Im DFB-Pokal schied er im Achtelfinale mit den Berlinern gegen den FC Schalke 04 aus.

Hertha-Boss Gegenbauer weist Klinsmann-Attacken zurück

Der Verein reagierte am Mittwoch zunächst mit einer Stellungnahme. Nahezu sämtliche in dem Tagebuch enthaltenen Vorwürfe und Behauptungen würden nicht der Wahrheit entsprechen. In einer Mail an die Hertha-Mitglieder nahm Gegenbauer dann doch deutlich Stellung zu den Vorwürfen. „Für uns sind weder der Inhalt des Schreibens noch die Art und Weise des Vorgehens seitens Jürgen Klinsmann und seiner Berater Andre Gross und Roland Eitel nachvollziehbar", schrieb der Präsident über das Dokument. Der Präsident des Bundesligisten erklärte, dass man nun Zeuge werde, wie der ehemalige Trainer Klinsmann „abermals versucht, mit absurden Behauptungen seinen Rücktritt zu rechtfertigen“. Ein Punkt des Rundumschlages von Klinsmanns ärgerte Gegenbauer besonders: „Die schäbigen Anschuldigungen gegen die Mitarbeiter der Abteilungen Medizin und Medien weisen wir entschieden zurück.“

Mit deutlichen Worten hatte sich Hertha-Investor Lars Windhorst zum Klinsmann-Rücktritt geäußert: „Die Art und Weise ist so unakzeptabel, dass wir im Sinne des Vereins eine zielführende Arbeit mit ihm nicht fortführen können. Ob wir in Zukunft, wenn sich die Wogen geglättet haben, auf ihn und seinen Rat zurückgreifen, wird man dann sehen. Er hat viel von seiner Glaubwürdigkeit verloren“, sagte Windhorst, der vor allem Klinsmanns Stil kritisierte: „Es ist bedauerlich und er sieht das ähnlich, dass er da eine Kurzschlussreaktion vollzogen hat. Das kann man als Jugendlicher machen, aber im Geschäftsleben unter Erwachsenen kann man das nicht.“

Hertha BSC und Preetz waren zunächst für Stellungnahmen nicht zu erreichen.

(old/SID)
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