Miese Stimmung in Berlin "Hochnäsig" und "blind" — Hertha zerfleischt sich selbst

Berlin · Ganz kurz vor der Ziellinie wird Hertha BSC noch immer vom Schreckgespenst Relegation begleitet - und jetzt gibt es auch noch Ärger um Star-Angreifer Salomon Kalou. "Frag unsere blinden Stürmer", hatte Berlins Torwart Thomas Kraft den Journalisten auf die Bitte nach einem Kommentar zum 0:0 gegen Eintracht Frankfurt geantwortet.

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Trainer Pal Dardai bemühte sich am Tag danach um Entspannung: "Die Sache ist erledigt. Thomas und Salomon haben sich ausgesprochen. Wir sind alle wieder Freunde und arbeiten hart."

Zwar müsste am letzten Spieltag der Fußball-Bundesliga im Abstiegskampf auf anderen Plätzen viel gegen die Berliner laufen. Doch die Gefahr, wie vor drei Jahren gegen Fortuna Düsseldorf wieder einen dramatischen Playoff-K.o. erleiden zu müssen, ist noch nicht endgültig gebannt. "Nächste Woche wird es schwer, wir müssen noch einen Punkt holen", erklärte ein verärgerter Hertha-Coach Pal Dardai 100 Tage nach der Amtsübernahme. Am Sonntag vermied der Ungar jeden Hauch von Panik. "Wir hatten keine Krisensitzung", erklärte Dardai: "Wir haben es noch immer selbst in der Hand."

Hertha (jetzt 35 Zähler) hätte aber schon einen Spieltag vor dem Saison-Abschluss bei 1899 Hoffenheim die letzten Zweifel am Klassenverbleib beseitigen können. "Wir hatten für unsere Verhältnisse genug Torchancen, um das Spiel zu gewinnen", betonte Dardai. "Wir hatten neun Torchancen, davon drei große. Es ist ärgerlich, dass wir es nicht geschafft haben."

Vor allem die größte vergebene Möglichkeit von Stürmer Kalou wirkte nach: "Was Kalou da gemacht hat, diesen Lupfer-Versuch, das ist nicht in Ordnung", kritisierte Dardai, eigentlich ein großer Unterstützer des Ivorers, und sprach vor den TV-Kameras sogar von einem "hochnäsigen Heber". Der Angreifer von der Elfenbeinküste war nach einem kapitalen Fehler von Aleksandar Ignjovski völlig frei auf Kevin Trapp zugelaufen, seinen uninspirierten Heber hatte der Eintracht-Keeper locker aus der Luft gepflückt.

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Der einstige Stürmer und noch aktuelle Hertha-Rekordtorschütze Michael Preetz sprach von einer "leichtfertig vergebenen" Chance: "Es war ein Geschenk der Eintracht, das man hätte annehmen müssen." Er hätte sich für eine andere Lösung entschieden, "wenn man länger nicht getroffen hat und nicht gerade 4:0 führt in so einem Spiel", ergänzte der Berliner Manager. "Da ist es immer ratsam, seriös abzuschließen."

Dardai riet Ex-Champions-League-Sieger Kalou, in den Spiegel zu schauen, ob dessen Einschätzung normal sei oder nicht. Vor dem Team unterstrich Dardai am Morgen danach aber auch: "Er hat sogar sein bestes Spiel gemacht für uns. Alle Torgefahr ging von ihm aus."

Nach dem verpassten dritten Matchball im Abstiegskampf vor 60.168 Zuschauern bleibt noch einer, um ganz sicher zu gehen. Dabei wird Abwehrmann John Anthony Brooks gelb-gesperrt fehlen. "Es macht nur Sinn, sich auf die eigene Leistung zu konzentrieren und nicht anzufangen, die Rechenmaschinen rauszuholen", betonte Preetz: "Das Endspiel nächste Woche hätten wir uns gern erspart."

Ganz so schwierig ist die Rechnung nicht: Würden sich am 34. Spieltag Hannover 96 und der SC Freiburg (beide 34 Punkte) remis trennen, gleichzeitig die Stuttgarter (33) in Paderborn (31) gewinnen und Hertha selbst 0:2 oder höher in Hoffenheim verlieren, ständen am Ende die Berliner tatsächlich wieder auf Rang 16. Theoretisch wäre sogar der direkte Abstieg noch möglich, sollte außerdem der HSV (32) einen unrealistisch hohen Kantersieg gegen den FC Schalke 04 feiern.

Ein dritter Abstieg innerhalb von fünf Jahren wäre für Hertha der Worst Case. So schalteten die Verantwortlichen schnell auf Optimismus um - auch im Fall Kalou. Seit Ende Februar wartet der Stareinkauf inzwischen auf einen eigenen Treffer - genau 828 Spielminuten. Mit einem punktbringenden Tor in Hoffenheim würde der 29-Jährige alle Diskussion auf einen Schlag beenden - und der Held sein.

(dpa)
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