Derby gegen Bremen HSV denkt wehmütig an Ernst Happel

Hamburg · Er hat das Pressing erfunden und hätte Jürgen Klopp gemocht. Am Sonntag wäre Österreichs Trainerlegende Ernst Happel, sechs Jahre lang Erfolgscoach beim Hamburger SV, 90 Jahre alt geworden.

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"Er war der menschlichste aller Schleifer" - niemand hat Ernst Happel so treffend in nur einem Satz beschrieben wie sein kongenialer Partner Günter Netzer. Sechs Jahre schwang die Trainerlegende aus Wien beim Hamburger SV das Zepter am Spielfeldrand, Netzer holte ihm als Manager seine Wunschspieler - nie war der HSV erfolgreicher als von 1981 bis 1987.

Ja, der Kettenraucher und Lebemann, der am Sonntag 90 Jahre alt geworden wäre, konnte verletzend sein. Happel hatte stets seine Lieblinge im Team, wer nicht zu ihnen zählte, hatte nicht immer ein leichtes Leben. Aber bei echten Problemen kümmerte er sich auch um den letzten Ersatzspieler. Und die Erfolge gaben ihm stets recht.

Denn Anfang der 80er Jahre dominierte der HSV die Liga, der FC Bayern war meist nur zweiter Sieger. Die Meisterschaften 1982 und 1983 mündeten in den legendären Triumph im Europapokal der Landesmeister mit dem 1:0-Finalsieg in Athen gegen Juventus Turin. 1987 verließ Happel die Elbmetropole Richtung Heimat mit dem Gewinn des DFB-Pokals - bis heute der letzte Titel des hanseatischen Traditionsklubs.

In einer Zeit ohne Videoanalysen und ohne Laptop im Trainerzimmer war der Ausnahmecoach dennoch revolutionär - eben auf seine Art. Ballbesitzfußball im Stile von Pep Guardiola ließ er schon vor 30 Jahren spielen, die Begründung dafür war ein typischer Happel: "Wenn wir die Kugel haben, haben die anderen sie nicht."

Happel wäre Klopp-Fan gewesen

"Er war einfach seiner Zeit voraus", erinnert sich Netzer und meint damit auch das Pressing, dass der Ex-Nationalspieler Jahrzehnte vor Jürgen Klopp auf dem Rasen umsetzen ließ. Kennengelernt haben sich die beiden Fußball-Lehrer nie, doch Happels Sohn Ernst junior glaubt fest daran, dass sich beide gut verstanden hätten. "Die Denke von Klopp hätte Papa sehr gefallen", sagte der 62-Jährige der Bild-Zeitung.

Tragisch, dass Happel 1987 nach seiner Rückkehr nach Österreich nur noch fünf Jahre blieben. Jahrzehntelang hatte der "Zauberer", wie man ihn als Spieler nannte, die starken Belga-Zigaretten gepafft, er erkrankte an Lungenkrebs. Schon von dieser Krankheit gezeichnet, übernahm Happel im Januar 1992 den Job des Nationaltrainers - und starb am 14. November 1992, vier Tage vor einem Länderspiel gegen Deutschland.

Am Spieltag lag seine Kappe auf der Trainerbank des Praterstadions, längst ist die Arena nach Ernst Happel benannt. Und noch immer pilgern Fußball-Enthusiasten in Wien in das Cafe Ritter im 16. Bezirk in Ottakring, quasi seine zweite Heimat, und an seine letzte Ruhestätte: 17. Bezirk, Friedhof Hernals, Feld 1, Grab 238.

Nüchterne Koordinaten am Ende eines bewegten Lebens. Ganz im Sinne von Ernst Happel, der gern wenig redete. Aber dafür umso mehr leistete.

(cb/sid)
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