Krise des Hamburger SV Ein Bild des Jammers

Hamburg/Düsseldorf · Die Talfahrt des Hamburger SV geht weiter. Gegen Wolfsburg gab es eine 0:2-Niederlage.

Hamburger SV - VfL Wolfsburg: die besten Bilder des Spiels
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Hamburg - Wolfsburg

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Es gibt viel zu besprechen beim Hamburger SV. Nach dem 0:2 gegen den VfL Wolfsburg und dem Sturz auf einen Abstiegsplatz stand Lewis Holtby vor den enttäuschten Fans in der Kurve und versuchte zu erklären, was er sich selbst nicht erklären kann. In der Begegnungszone mit den Journalisten rätselte der ehemalige Nationalspieler Heiko Westermann, warum sein Team in einem so wichtigen Spiel eine derart "leblose Vorstellung" bieten konnte. Nicht einmal Wut sei zu erkennen gewesen. Allein in der Kabine bewiesen die Hamburger Kampfgeist. Die Kollegen Valon Behrami und Johan Djourou tauschten handgreiflich Argumente aus.

Das war zur Pause der Begegnung, als es noch leise Hoffnung gab. Nach dem Spiel hatten wieder Durchhalteparolen Konjunktur. Typisch der Satz, mit dem Hamburgs Fußballidol Uwe Seeler seine Stimmung beschrieb: "Das kann einem schon Angst machen, aber meine Hoffnung stirbt zuletzt."

Das einst ruhmreiche Gründungsmitglied der Bundesliga gibt mehr denn je ein Bild des Jammers ab. Auch eine Saison nach dem im Relegationsspiel denkbar knapp verhinderten Abstieg ist nichts besser geworden. Die Mannschaft passt immer noch nicht zusammen, und die krampfhaften Bemühungen auf dem Trainersektor gingen eher nach hinten los. Den vorläufigen Gipfel der Ratlosigkeit erreichte die Vereinsführung um den gewandten Vorstandschef Dietmar Beiersdorfer in der seltsamen Beförderung von Sportchef Peter Knäbel zum Chefcoach.

Dessen Bilanz ist äußerst aussagekräftig. Zum Debüt in Leverkusen gab es ein 0:4, in dem mehr als eine Klasse zwischen Bayer und dem HSV lag. Im zweiten Spiel hatte Wolfsburg erfreulich wenig Mühe, sich mit 2:0 im Volkspark durchzusetzen. Bezeichnend, dass Wolfsburgs Sportchef Klaus Allofs die mangelhafte Chancenauswertung des Tabellenzweiten bemängelte. Der VfL bekleidet weiter souverän jenen Platz, auf den der HSV seit Jahren ein natürliches Recht zu haben glaubt. Begründet wird das mit der großen Tradition, mit der Erinnerung an eine Mannschaft, die mal die erste Kraft vor den Bayern war, und mit der gern wiederholten Feststellung, Hamburg sei ein idealer Standort für ein Fußballspitzenteam. Mittlerweile geht es längst nur mehr ums Überleben in der Bundesliga. Aber das ist unsicher wie nie zuvor.

Dennoch fühlt sich der HSV noch ziemlich groß. Er wirbt offensiv um die Dienste von Thomas Tuchel, den die Branche für einen Konzepttrainer hält, weil er in Mainz kleine Erfolge feierte und dabei große Vorträge hielt. Der Kandidat scheint sich zu zieren, er ist angeblich nicht bereit, zu einem Zweitligisten zu gehen. Weil dem HSV das garstige Schicksal des ersten Abstiegs seiner Bundesliga-Geschichte droht, ist es noch zu keiner Einigung gekommen.

Für den zurzeit unwahrscheinlichen Fall des Klassenerhalts winken die Hamburger mit großen Geldscheinen. Drei Millionen Euro soll Tuchel im Jahr verdienen können - noch kein HSV-Trainer war so teuer. Und im Sommer soll er mit 25 Millionen Euro auf Einkaufstour gehen dürfen. Die stolze Summe sollen Hamburger Gönner zur Verfügung stellen. Mit deren Hilfe wurde vor drei Jahren die Rückkehr von Rafael van der Vaart finanziert. Gegen Wolfsburg durfte der Kapitän noch mal mitwirken. Er wirkte wie ein Dokument der Hamburger Krise - ideenlos, mutlos, antriebslos. Er macht schon lange durch sein Privatleben mehr Schlagzeilen als durch Fußball.

(RP)
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