Gerhard Delling und Günter Netzer „Jetzt haben Sie wieder Ihre Genugtuung“

Düsseldorf · Gerhard Delling hört zum Saisonende der Bundesliga bei der ARD auf. Mit Günter Netzer bildete er einst ein urkomisches Moderatorenduo, das seinen festen Platz in der deutschen Fernsehgeschichte hat. Was machte die beiden aus?

 Gerhard Delling und Gütner Netzer (Archiv).

Gerhard Delling und Gütner Netzer (Archiv).

Foto: dpa/Ulrich Perrey

Szenen wie diese sind längst legendär. Es läuft die Halbzeit im Länderspiel der deutschen Nationalmannschaft in Aachen gegen Malta. Im Fernsehstudio stehen wie gewohnt ARD-Moderator Gerhard Delling und Experte Günter Netzer, die die Nationalmannschaft bis zur WM 2010 in Südafrika begleiteten. Es geht darum, ob Bundestrainer Joachim Löw auf Blöcke von Spielern vertrauen sollte, die in den Vereinen zusammenspielen. „Das hat ja funktioniert bei einer Weltmeisterschaft. Wir schauen nochmal auf die Aufstellung der Deutschen, die beim Endspiel 1974 Weltmeister geworden ist - und suchen vergeblich Günter Netzer.“ Netzer reagiert gereizt: „Jetzt haben Sie wieder Ihre Genugtuung und Ihren großen Auftritt, dass Sie mich da nicht gefunden haben“, sagt Netzer. „Sie haben, und ich habe Ihnen das schon 1000 Mal gesagt, mich berechtigt nicht gefunden. Ich habe in dieser Mannschaft keinen Platz gehabt.“ Auf einen weiteren neckischen Spruch von Delling antwortet Netzer: „Bitte, Ihr Pseudowissen ist hier nicht gefragt.“

Vor der Fernsehkamera waren Netzer und Delling wie Geschwister, die einander aufzogen. Delling übernahm dabei die Rolle des kleineren Bruders, der die Autorität und Coolness des Großen in Frage stellte, ihn mit Sprüchen versuchte in Rage zu bringen, was ihm ein ums andere Mal gelang. „Sie waren damals zumindest in der Nähe des Rasens“, hatte Delling in der Sendung angesprochen auf Netzers Fehlen im Finale noch gesagt.

Das Fernsehduo funktionierte so gut, weil es so unterschiedlich war. Es ist quasi der Kern des Komischen: zwei Charaktere, die sich einfach in die Haare bekommen müssen. So ist es in allen großen Komödien: Hardy und Stan, Bud Spencer und Terrence Hill, das Duo aus Ziemlich beste Freunde - und wie sich nicht alle heißen.

Delling: „Sie haben auch die Spieler der Färöer-Inseln gesehen. Haben Sie auch dieses selbstbewusste Siegerlächeln bemerkt?“

Netzer: „Nö, ich hatte eigentlich festgestellt, dass die auch so Milchgesichter haben wie Sie.“

Bei dem Duo steht auf der einen Seite Netzer, der im Fußball alles erlebt und fast alles gewonnen hat. Ein eigenwilliger Macher, der die Dinge anpackt und sich nicht alles gefallen lässt. So war es zum Beispiel im legendären Pokalfinale 1973 zwischen Gladbach und dem 1. FC Köln im Düsseldorfer Rheinstadion, als Netzer sich selber einwechselte und ein Traumtor zum Sieg schoss. Trainer Hennes Weisweiler hatte ihn mit einem Platz auf der Bank gestraft, weil Netzers Wechsel zu Real Madrid bekannt geworden war. Wenn es um Fußball ging, und das ging es in den Übertragungen der Nationalmannschaft nun mal, beanspruchte Netzer die Deutungshoheit für sich. Die Spiele sah der Ur-Borusse mit dem nötigen Ernst. Das hatte der Sport in seinen Augen so verdient.

Auf der anderen Seite Gerhard Delling. Ein Sportjournalist, der an der Universität Kiel Volkswirtschaftslehre studierte, aber sportlich nie selber in Erscheinung getreten war. Von seinen Fragen fühlte sich Netzer geradezu provoziert. Immer wieder äußerte er sich spöttisch über die „Expertise“ Dellings. Wenn Delling es dann auch noch wagte, den Fußball ins Lustige zu ziehen, reichte es Netzer. „Das ist wirklich eine sehr kluge Frage von ihnen. Ich bin sehr überrascht“, sagte Netzer einmal. Delling wehrte sich, indem er polemisch wurde, auf Netzers Schwächen als Spieler herumstichelte. Eine große Show, für die die beiden im Jahr 2000 den Adolf-Grimme-Preis erhielten.

Am Donnerstag hat Gehrad Delling bekanntgegeben, dass er zum Saisonende bei der ARD aufhört, nach mehr als 30 Jahren. Günter Netzer reagierte öffentlich darauf. Seit 1998 hatte er an der Seite Dellings moderiert. „Er war das perfekte Glück, das ich beruflich gefunden habe. Es war Freundschaft und er hat mich professionell durch jede Sendung geführt“, sagte Netzer. Das Duo hat auch so gut funktioniert, weil es sich grün war, was vor der Kamera immer anders aussah.

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