Wechsel nach Wolfsburg Warum Max Kruse nur ehrlicher ist als andere

Meinung | Wolfsburg · Wer den Fußball-Profi verpflichtet, weiß, was er bekommt – fußballerische Klasse und eine bessere Mannschaft. Vereinstreue hat er nicht im Angebot.

Wiedervereint in Wolfsburg: Max Kruse und Florian Kohfeldt.

Wiedervereint in Wolfsburg: Max Kruse und Florian Kohfeldt.

Foto: dpa/Patrick Seeger

Max Kruse wird ja nun auch bald 34. Da muss er langsam mal sehen, wo er bleibt. Deshalb hat er kurz vor Ende der Frist schnell den Verein gewechselt, er ging von Union Berlin zum VfL Wolfsburg. Und er redet erfreulich offen über die Gründe. Der neue Vertrag sei „langfristig und hoch dotiert“, sagt er. Vier Millionen Euro im Jahr soll er nach Informationen der „Bildzeitung“ verdienen.

Darum muss Kruse sich nun gefallen lassen, dass Fußball-Deutschland die Moralkeule schwingt. Einen eiskalten Söldner schimpfen ihn viele. Einen, für den die Höhe der monatlichen Überweisung stets mehr zählt als ein Klub, seine Mitspieler oder die Fans. Zum Beweis zeigen sie auf seine Karriere, die wahrlich nicht von Treue handelt. Wolfsburg ist Kruses neunter Arbeitgeber seit 2009. Solche Spieler sortiert der Fußball in die altertümliche Gattung der Wandervögel.

Im Fall Kruse lohnt es sich aber, ein bisschen genauer hinzusehen. Seine ersten Wechsel hatten nämlich weniger mit Raffgier als mit fehlender Perspektive zu tun. Er war seinen jeweiligen Trainern nicht gut genug.

Erst beim SC Freiburg durfte er zeigen, dass er zu der außergewöhnlichen Art von Spielern gehört, die sich der modernen Kraftmeierei durch Ideen und fußballerische Klasse entziehen.

Das machte ihn zu einem begehrten Artikel auf dem Markt. Und er kann ja nichts dafür, dass sich mit seiner Klasse fortan viele verbessern wollten. Aufs falsche Pferd setzte er allerdings, als er 2015 zum ersten Mal zum VfL Wolfsburg ging. Die „sportliche Perspektive“ habe ihn veranlasst, sagte sein Berater.

Die Realität: Mönchengladbach, das er verlassen hatte, qualifizierte sich in der Folgesaison für die Champions League, Wolfsburg kam nicht einmal in einen europäischen Wettbewerb.

Kruse machte einstweilen andere Schlagzeilen. Eine Auseinandersetzung in einem Berliner Club trug ihm eine öffentliche Rüge und eine fette Geldstrafe ein. Es wurde mehr über seine Fähigkeiten am Pokertisch als über seine fußballerischen Vorstellungen gesprochen. Und die Nation staunte, als er in einem Taxi 75.000 Euro liegen ließ. Er schien so richtig nach dem Balotelli-Prinzip zu leben. Der italienische Musterprofi, Vorname Mario, hatte bei einer Verkehrskontrolle in England auf die Frage, warum er so viel Bargeld dabei habe, gesagt: „Weil ich reich bin.“ Für den reichen Kruse war Endstation in der Nationalmannschaft und in Wolfsburg.

Dann bewies er mit dem Rücken zur Karrierewand, dass er nicht nur die Summen auf dem Gehaltsscheck lesen kann. Bei Werder Bremen wurde er zum wichtigsten Spieler. Und schon wedelten ausländische Klubs mit den großen Geldscheinen. In dieser Hinsicht ist Kruses Widerstandsfähigkeit gering. Er verrechnete sich jedoch beim Wechsel zu Fenerbahce. Dort wurde viel versprochen, aber wenig gezahlt.

Die Konsequenz war der Transfer zu Union Berlin, wo trotz des bodenständigen Vereinsbildes sehr ordentlich bezahlt wird. Nicht so ordentlich freilich wie in Wolfsburg.

Kruse nimmt sich, was er bekommen kann. Er ist dabei ebenso kühl und professionell wie seine Arbeitgeber, die Spieler ja auch nicht aus sozialen Beweggründen verpflichten oder wegschicken. Wer Kruse holt, weiß ganz genau, was er bekommt. Einen Fußballer, der Mannschaften vorwärts bringt, wenn sie sich auf ihn einlassen. Und einen Profi, der verlässlich abliefert, was er versprochen hat. Vereinstreue hat er nie versprochen. Das passt auch nicht ins Geschäft. Vielleicht ist Max Kruse deshalb nur ehrlicher als die meisten anderen Darsteller um Wanderzirkus Profifußball.

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